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Abteikirche St-Philibert in Tournus


Die tausendjährige Abteikirche Saint-Philibert in Tournus gehört zu den bedeutendsten frühromanischen Sakralbauten Frankreichs und ganz Mitteleuropas. Sie wurde im Jahr 1019 geweiht. Schutzpatron der Kirche ist der heilige Philibert, dessen Reliquien in der Zeit der Überfälle der Normannen von der Abtei Noirmoutier, wo er gestorben war, hierher in Sicherheit gebracht wurden. 

Die heutige Stadt Tournus ging – wie viele andere Städte auch – aus einer Ansiedlung hervor, die sich rund um ein Kloster gebildet hatte, hier die Benediktinerabtei Tournus. Der kleine Ort vermittelt auch heute noch eine mittelalterliche Atmosphäre. Die in direkter Nähe zur Saône liegende Kirche ist von großer kunsthistorischer Bedeutung und in mehrerer Hinsicht die Vorreiterin entscheidender architektonischer Entwicklungen. Die Fassade von Saint-Philibert stammt aus dem frühen 11. Jahrhundert und gilt als das früheste erhaltene Beispiel einer Doppelturmfassade.



Auch im Innenraum von St.-Philibert findet man architektonische Urformen und Besonderheiten.
Die Vorkirche ist im Mittelschiff kreuzgratgewölbt, die Seitenschiffe sind mit Quertonnen zur Mitte geöffnet. Über der Vorkirche befindet sich die dem Erzengel Michael geweihte, in ihrem Mittelschiff 12 m hohe und zur Hauptkirche hin offene Kapelle; ihre Rundpfeiler tragen rechteckige Wandvorlagen, die zum Tonnengewölbe des Mittelschiffs hinaufreichen, das von den viertelkreisförmigen Seitenschiffsgewölben gestützt wird. An der Arkade zur Hauptkirche befindet sich eine Relieffigur eines bärtigen Mannes mit einem Hammer, daneben eine Inschriftplatte mit dem Namen „Gerlannus“, der als Abt oder Baumeister der Kirche gedeutet wird. Der ehemalige Text der Inschrift Gerlannus Abate Isto Moneteium e ile ist offenbar verdorben. Zusammen mit einer weiteren Reliefplatte des Bogens mit einem groben Gesicht gehört die Figur zu den ältesten erhaltenen Werken romanischer Bauplastik.

 



Da kurz zuvor in der Abtei Cluny erstmals seit der Antike ein Gewölbe geglückt war, versuchte man es auch hier. In der oberen Etage hat sich dieses früheste Tonnengewölbe großen Ausmaßes erhalten.

Das Langhaus ist ebenfalls ungewöhnlich. Normalerweise hatte ein Mittelschiff in der frühen Romanik ein Tonnengewölbe, das auf den Außenmauern ruhte; dieses ließ keine großen Fenster zu, da die Statik der Außenwände und des Gewölbes wegen der auftretenden Schubkräfte nicht gefährdet werden durfte. In Tournus hat man kurz nach der Jahrtausendwende, also noch am Anfang der Entwicklung der mittelalterlichen Wölbungstechnik, mit den Quertonnen etwas ganz Anderes versucht: Durch diese frühe, zumal seltene Maßnahme, auch wenn sie eine Notlösung nach einem Einsturz war, erscheint der Kirchenraum in Tournus wie eine hohe Halle. Schwibbögen über Konsolen spannen sich über das Mittelschiff. Der Blick in die verschiedenen Gewölbeteile demonstriert, in welchem Ausmaß hier im 11. Jahrhundert mit ganz verschiedenen Konstruktionsmitteln experimentiert wurde.

Auch bei der Entwicklung der Chorbauweise steht Saint-Philibert ganz am Anfang: Hier steht der älteste erhalten gebliebene Umgangschor mit drei flach geschlossenen Radialkapellen, also mit Kapellen, die als einzelne Bauteile strahlenförmig an den Chorumgang angebaut sind. Aus diesen frühen Formen hat sich später der Kapellenkranz entwickelt und die zahlreichen Varianten, die den Chor zu einem dominierenden Element der Kirchenanlage gemacht haben.

Im südlichen Seitenschiff befindet sich die Zedernholz-Madonna Notre Dame la Brune („braune Madonna“) aus dem frühen 12. Jahrhundert in einer spitzbogigen gotischen Wandnische vor Wandmalereien des 14. Jahrhunderts; sie war im Mittelalter ein bedeutendes Wallfahrtsziel.

 



Die Krypta von St-Philibert ist der älteste erhaltene Teil der Kirche und eine der ältesten Umgangschoranlagen mit Kapellen der europäischen Baukunst. Die ältesten bekannten Krypten (zum Beispiel in Auxerre) stammen aus der Zeit um 850. Sie hatten rechtwinklige Umgänge. Die Krypta von Tournus stammt ursprünglich aus dem Jahr 875. Ungefähr hundert Jahre später passten die Mönche den Umgang der runden Chorform darüber an und ergänzten die rechteckigen Kapellen. Der von zwei Reihen schlanker Säulen geteilte Hauptraum ist aber auch heute noch rechteckig. Der Mittelbereich ist durch zehn schlanke Säulen mit antikisierenden Kapitellen unterteilt. An der Krypta-Westwand befindet sich ein alter Brunnen, der im Verteidigungsfall die Wasserversorgung gewährleistete. Ein Fresko aus dem 12. Jahrhundert ist besonders gut erhalten, es stellt Maria mit dem Kind und den thronenden Christus dar.