Die dörfliche Idylle - da geht einem doch das Herz auf!
Aber Vorsicht: ein Blick hinter die Fassaden offenbart, daß hier manch einer ordentlich Dreck am Stecken hat...
Da wäre zum Beispiel unser werter Herr Bürgermeister. Jung, dynamisch, mit tadellos weißer Weste. Wirklich???
Dem Herrn Dr. Männel flattert doch unlängst ein Brief ins Haus. Ein Brief einer gewissen Dora S., ehemals ansässig in Wackershofen. Die junge Frau mußte das Dorf 1930 in Schimpf und Schande mit dickem Bauch verlassen. Niemals hat sie öffentlich verraten, wer der Vater des Kindes war. Nun aber, nachdem ihr "lieber Nicki" groß Karriere gemacht hat, fordert sie ihn auf, sich endlich seiner Verantwortung zu stellen.
Töchterchen Luise, inzwischen beinahe 17 Lenze alt, muß seit zwei Jahren am Stock gehen. Sie war 1945 in München mit zerschmettertem Knöchel aus den Trümmern eines zerbombten Gebäudes geborgen worden. Eine Operation könnte ihr helfen, wieder ohne Gehhilfe zu laufen, aber die kann nur in Amerika durchgeführt werden. Das kann das arme Dorle nicht zahlen. Der Dr. Männel aber, der könnte das sicher in die Wege leiten, steht er doch mit den Amerikanern ohnehin auf gutem Fuß!
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Ist es wahr, was die Dora da schreibt? Ich finde, die Ähnlichkeit ist unverkennbar.
Dr. Männel aber streitet es vehement ab. Es sei damals viel zu jung gewesen, um ein Kind zu zeugen. Die Dora wolle nur an sein Geld.
Das Fräulein Luise, das am Samstag mit ihrem Gehstock und ihrem Köfferchen am Bahnhof steht, wird erst einmal an die Familie Bonschab abgeschoben.
Und dann taucht auch noch ein Schreiben aus Schwäbisch Hall auf, in dem die Adoption der Luise S. durch das Ehepaar Bonschab bestätigt wird.
Adoption??? Die Bonschabin fällt aus allen Wolken, denn solch ein Antrag wurde nie gestellt.
Minna Bonschabs Empörung legt sich aber schnell, als ihr beim Besuch des Bürgermeisteramts erklärt wird, daß es hierfür einen dicken Batzen Geld gibt. Und die Luise wird in Hall auf ein gutes Mädchenpensionat geschickt, das zahlt der Bürgermeister.
Bei so viel finanzieller Zuwendung adoptiert die Bonschabin gerne und fragt nicht lange nach, wer da zahlt und warum.
Jeder hat ein paar Leichen im Keller, alle sind zufrieden. So spielt das Leben. 1947 allemal, denn ein wirklich reines Gewissen hat kaum einer...
Dann war da noch ein gewisser "nichtsnutzer Ehemann", nachweislich verheiratet seit dem 25.12.1938 mit Frau Anna Maria Eder. Der Filou hat dann in Frankreich im Krieg eine kleine Französin geehelicht, außerdem stehen noch etliche Damen vor der Tür, die meinen, daß sie Ansprüche geltend machen können. Mit der Arbeit hat er's ja nicht so, der nichtsnutze Ehemann, lieber poliert er an seinem Opel Blitz herum.
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Jedermann und jede Frau versucht, irgendwie über die Runden zu kommen, sich ein Geschäft aufzubauen und ein bißchen Wohlstand zu erlangen. Zum Beispiel Veronika Marie Obhof, die die Schnapsbrennerei ihres vermissten Mannes weiter zu führen versucht. Sie hat auch eine Konzession für die Schnapsbrennerei - zumindest hatte die ihr Ehemann. Trotzdem lauert die amerikanische Militärpolizei ständig bei ihr vor der Tür. Die MP sieht es gar nicht gerne, daß so viele GIs Stammkunden sind bei der Veronika. Fast täglich kommt es hier zu Festnahmen an der "Schwarzbrennerei".
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Schon wieder eine Razzia in der Schnapsbrennerei. | Aber Herr Wachtmeister, ich habe doch eine Konzession! |
Der gemäßigte Wohlstand des Bauerndorfs zieht auch allerhand fremdes Gesindel an.
Morgens macht eine Lumpensammlerin die Runde. 12 Pfennig bietet sie der Bonschabin für ein altes Laken und etwas zerschlissene Bettwäsche.
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Es stellt sich heraus, daß die Frau noch andere Geschäfte tätigt. Der Bursche, der im Hintergrund herumlungert, ist ihr Komplize. Er trägt einen Rucksack voll gestohlener Konserven aus amerikanischen Beständen bei sich. Die Damen des Dorfes zahlen bei der Lumpensammlerin, flanieren dann ganz unauffällig zu dem Burschen hinüber und lassen sich Corned Beef oder eingemachte Tomaten aushändigen. Natürlich fliegt die Sache auf und die beiden Schlawiner werden festgenommen. Zum Glück hatte ich meine Dose Tomaten rechtzeitig in Sicherheit gebracht, bevor die Polizei und die Constabulary anrücken...
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Aber - verdammt! Ich habe die Dose in meiner Schürzentasche vergessen und unser Hilfspolizist bemerkt das, als er auf einem Mäuerchen steht und von oben zufällig in die Tasche hinunter- und hineinschaut. Zwar werde ich nicht verhaftet, aber die Tomaten werden konfisziert und gehen zurück an die Amerikaner. Als ob die nicht genug gutes Zeug zum Essen hätten!
Überhaupt ist es skandalös, wie die Zahl der Delikte und Festnahmen in unserem beschaulichen Dörfchen zunimmt!
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Da müssen sie rennen, unsere Herren Polizisten. Ganz schön außer Atem, mit ihrem Wohlstandsbäuchlein...
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Auch unbescholtene Bürger werden zum Verhör vorgeladen, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
Oder wenn sie von irgendwelchen mißgünstigen Nachbarn denunziert wurden.
Oder wenn sie nicht aufgepaßt haben beim Schmuggeln...
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Der Schwarzmarkt floriert.
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Natürlich ist Schnaps aus der Brennerei Obhof immer begehrt. | ||
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Sehnsüchtig erwartet werden immer die amerikanischen CARE-Pakete.
Die Ausgabe erfolgt unter polizeilicher Überwachung, um Tumulte zu unterbinden. Es sind immer zu wenig Pakete. Einige Haushalte gehen trotz gültiger Bezugsscheine leer aus. Das gibt böses Blut und üble Streitereien unter den wartenden Damen. Wären der Wachtmeister und seine Gehilfen nicht vor Ort, die Frauen würden bestimmt handgreiflich werden. So aber, unter strenger polizeilicher Überwachung, wird nur ausschweifend gegiftet und gekeift...
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Diesmal ist der Haushalt Eder zum Glück nicht leer ausgegangen.