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Ein nicht ganz ernst gemeinter Bericht über die Fuhrhalterei Bonschab.
Im Rahmen der Veranstaltung "Wackershofen 1947 - Ein Dorf in der Nachkriegszeit."

 

 

Die Bonschabs haben den Krieg überlebt. Nachdem sie 1945 in Hall ausgebombt worden waren, haben sie mittlerweile im nahe gelegenen Dorf Wackershofen Fuß gefaßt. Die Ressourcen sind noch knapp, aber langsam geraten die Menschen wieder in eine Aufbruch- und Aufbaustimmung. Die Leute schauen nach vorne und verdrängen das, was gerade hinter ihnen liegt. Man versucht, das Beste aus der prekären Situation zu machen. Überall wird geschafft, Material muß transportiert werden - die Geschäfte gehen gut.

 
     
 


Aus der Werbebroschüre der Fuhrhalterei Bonschab:



Ab und an "fällt auch mal was vom Karren", was dann auf dem florierenden Schwarzmarkt verscherbelt wird...


Nach dem Bombenangriff auf den Haller Bahnhof am 23. Februar 1945, der auch die Stallungen des Fuhrunternehmens zerstörte, war die Familie Bonschab mehr schlecht als recht in einer Rumpelkammer unter der Schneiderei von Emma Würkner einquartiert.

 



Inzwischen hat Fuhrmann Albert Archus Bonschab ein großes altes Haus am Ortsrand bezogen. Es stand lange leer und ist nur spärlich eingerichtet, aber Mauern und Dach sind weitgehend intakt. Das Anwesen besitzt sogar einen Stall und hat mehrere Zimmer, in denen potentielle Helfer untergebracht werden können.



Karrengaul Rufus ist im Dauereinsatz: Personentransport, Materialtransport, Anlieferung der CARE-Pakete aus Hall...

 
     
 


Einmal muß sogar der Jeep der Amerikaner abgeschleppt werden.

 



Der Fuhrmann träumt davon, sich bald ein weiteres Pferd leisten zu können. Und wenn der Treibstoff für die Autos und Lastkraftwägen weiterhin so schwer zu beschaffen ist, könnte das Transportwesen mittels Pferdewagen eine goldene Zukunft haben.

Fuhrdienst:




Gesichter unseres Dorfes:

Blicke...



 
Die Bewohner der Mühle   Haushalt Dr. Dengel

 

 
Bürgermeister Dr. Nicolaus-Rudolf Männel   Frau Emilia Fryminster, Vorzimmerdrache

 

   
 Postmeister Dietrich Wilhelm Pott   Fräulein Auguste von Zadel, die neue Postmitarbeiterin    Telefonvermittlung, Frau Franziska Schmitz

 

   
 Apotheker Dr. Martin Roth    Landarzt Dr. Ignaz Dengel bei der Diphterie-Impfung    Tankstelle (meistens leer)

 

 
Die Schneiderei von Frau Emma Würkner - dient zuweilen auch als Frisiersalon.   Else Knieriemen, Wäscherin und beste Quelle für Tratsch.

 

 
Dorfpolizist Josef Wenzel Würkner mit Wilhelm Walter   Die Bonschabs mit Frau Anna Maria Eder auf der Hausbank

 

 
Autowerkstatt - bei der Pause, natürlich.   Bauschreinerei Wiest - sie warten auf 4 Festmeter Holz







Die dörfliche Idylle - da geht einem doch das Herz auf!
Aber Vorsicht: ein Blick hinter die Fassaden offenbart, daß hier manch einer ordentlich Dreck am Stecken hat...


Da wäre zum Beispiel unser werter Herr Bürgermeister. Jung, dynamisch, mit tadellos weißer Weste. Wirklich???
Dem Herrn Dr. Männel flattert doch unlängst ein Brief ins Haus. Ein Brief einer gewissen Dora S., ehemals ansässig in Wackershofen. Die junge Frau mußte das Dorf 1930 in Schimpf und Schande mit dickem Bauch verlassen. Niemals hat sie öffentlich verraten, wer der Vater des Kindes war. Nun aber, nachdem ihr "lieber Nicki" groß Karriere gemacht hat, fordert sie ihn auf, sich endlich seiner Verantwortung zu stellen.

Töchterchen Luise, inzwischen beinahe 17 Lenze alt, muß seit zwei Jahren am Stock gehen. Sie war 1945 in München mit zerschmettertem Knöchel aus den Trümmern eines zerbombten Gebäudes geborgen worden. Eine Operation könnte ihr helfen, wieder ohne Gehhilfe zu laufen, aber die kann nur in Amerika durchgeführt werden. Das kann das arme Dorle nicht zahlen. Der Dr. Männel aber, der könnte das sicher in die Wege leiten, steht er doch mit den Amerikanern ohnehin auf gutem Fuß!

 


Ist es wahr, was die Dora da schreibt? Ich finde, die Ähnlichkeit ist unverkennbar.
Dr. Männel aber streitet es vehement ab. Es sei damals viel zu jung gewesen, um ein Kind zu zeugen. Die Dora wolle nur an sein Geld.
Das Fräulein Luise, das am Samstag mit ihrem Gehstock und ihrem Köfferchen am Bahnhof steht, wird erst einmal an die Familie Bonschab abgeschoben.

Und dann taucht auch noch ein Schreiben aus Schwäbisch Hall auf, in dem die Adoption der Luise S. durch das Ehepaar Bonschab bestätigt wird.
Adoption??? Die Bonschabin fällt aus allen Wolken, denn solch ein Antrag wurde nie gestellt.
Minna Bonschabs Empörung  legt sich aber schnell, als ihr beim Besuch des Bürgermeisteramts erklärt wird, daß es hierfür einen dicken Batzen Geld gibt. Und die Luise wird in Hall auf ein gutes Mädchenpensionat geschickt, das zahlt der Bürgermeister.
Bei so viel finanzieller Zuwendung adoptiert die Bonschabin gerne und fragt nicht lange nach, wer da zahlt und warum.
Jeder hat ein paar Leichen im Keller, alle sind zufrieden. So spielt das Leben. 1947 allemal, denn ein wirklich reines Gewissen hat kaum einer...


Dann war da noch ein gewisser "nichtsnutzer Ehemann", nachweislich verheiratet seit dem 25.12.1938 mit Frau Anna Maria Eder. Der Filou hat dann in Frankreich im Krieg eine kleine Französin geehelicht, außerdem stehen noch etliche Damen vor der Tür, die meinen, daß sie Ansprüche geltend machen können. Mit der Arbeit hat er's ja nicht so, der nichtsnutze Ehemann, lieber poliert er an seinem Opel Blitz herum.

   

 


Jedermann und jede Frau versucht, irgendwie über die Runden zu kommen, sich ein Geschäft aufzubauen und ein bißchen Wohlstand zu erlangen. Zum Beispiel Veronika Marie Obhof, die die Schnapsbrennerei ihres vermissten Mannes weiter zu führen versucht. Sie hat auch eine Konzession für die Schnapsbrennerei - zumindest hatte die ihr Ehemann. Trotzdem lauert die amerikanische Militärpolizei ständig bei ihr vor der Tür. Die MP sieht es gar nicht gerne, daß so viele GIs Stammkunden sind bei der Veronika. Fast täglich kommt es hier zu Festnahmen an der "Schwarzbrennerei".

 
Schon wieder eine Razzia in der Schnapsbrennerei.   Aber Herr Wachtmeister, ich habe doch eine Konzession!

 


Der gemäßigte Wohlstand des Bauerndorfs zieht auch allerhand fremdes Gesindel an.
Morgens macht eine Lumpensammlerin die Runde. 12 Pfennig bietet sie der Bonschabin für ein altes Laken und etwas zerschlissene Bettwäsche.

 


Es stellt sich heraus, daß die Frau noch andere Geschäfte tätigt. Der Bursche, der im Hintergrund herumlungert, ist ihr Komplize. Er trägt einen Rucksack voll gestohlener Konserven aus amerikanischen Beständen bei sich. Die Damen des Dorfes zahlen bei der Lumpensammlerin, flanieren dann ganz unauffällig zu dem Burschen hinüber und lassen sich Corned Beef oder eingemachte Tomaten aushändigen. Natürlich fliegt die Sache auf und die beiden Schlawiner werden festgenommen. Zum Glück hatte ich meine Dose Tomaten rechtzeitig in Sicherheit gebracht, bevor die Polizei und die Constabulary anrücken...

 

 
Aber - verdammt! Ich habe die Dose in meiner Schürzentasche vergessen und unser Hilfspolizist bemerkt das, als er auf einem Mäuerchen steht und von oben zufällig in die Tasche hinunter- und hineinschaut. Zwar werde ich nicht verhaftet, aber die Tomaten werden konfisziert und gehen zurück an die Amerikaner. Als ob die nicht genug gutes Zeug zum Essen hätten!


Überhaupt ist es skandalös, wie die Zahl der Delikte und Festnahmen in unserem beschaulichen Dörfchen zunimmt!

   
         
   
         
   


Da müssen sie rennen, unsere Herren Polizisten. Ganz schön außer Atem, mit ihrem Wohlstandsbäuchlein...


Auch unbescholtene Bürger werden zum Verhör vorgeladen, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren.
Oder wenn sie von irgendwelchen mißgünstigen Nachbarn denunziert wurden.
Oder wenn sie nicht aufgepaßt haben beim Schmuggeln...

 

 


Der Schwarzmarkt floriert.

 
 Natürlich ist Schnaps aus der Brennerei Obhof immer begehrt.    
 

 


Sehnsüchtig erwartet werden immer die amerikanischen CARE-Pakete.
Die Ausgabe erfolgt unter polizeilicher Überwachung, um Tumulte zu unterbinden. Es sind immer zu wenig Pakete. Einige Haushalte gehen trotz gültiger Bezugsscheine leer aus. Das gibt böses Blut und üble Streitereien unter den wartenden Damen. Wären der Wachtmeister und seine Gehilfen nicht vor Ort, die Frauen würden bestimmt handgreiflich werden. So aber, unter strenger polizeilicher Überwachung, wird nur ausschweifend gegiftet und gekeift...

 
     
 

Diesmal ist der Haushalt Eder zum Glück nicht leer ausgegangen.



Es gibt drei Arten von Amerikanern.

Die guten Amerikaner, das sind die GIs. Die Truppen, die im Krieg gekämpft hatten, wurden längst abgezogen. Jetzt halten neue amerikanische Soldaten die Stellung, die den Deutschen nie im Kampf gegenübergestanden waren. Meist junge Männer, wenig zu tun, viel Langeweile, dumme Gedanken. Hier kommt es oft zu freundschaftlichen Beziehungen mit der Bevölkerung, insbesondere der weiblichen.

Die bösen Amerikaner, das sind die MP, also Military Police, die versuchen, ihre GIs im Zaum zu halten. Der deutschen Bevölkerung gegenüber sind sie weitgehend indifferent, sie ahnden nur Delikte, die von Amerikanern begangen werden.

Die ganz bösen Amerikaner, damit ist die United States Constabulary gemeint, die auch gegenüber der deutschen Bevölkerung als exekutive Instanz in Erscheinung tritt. Ihre Aufgabe ist, die Ordnung in der amerikanischen Besatzungszone aufrechtzuerhalten. Die deutschen Polizisten arbeiten eng mit der Constabulary zusammen. Mit denen ist nicht gut Kirschen essen, die verstehen keinen Spaß.

 

GIs   MP   Constabulary
   

 


In Wackershofen haben sich die Amerikaner im Steigengasthof einquartiert.

 


Die Räume des Gasthofs werden auch als Büro genutzt. Hier setzt die Army inzwischen sogar schon deutsche Schreibkräfte ein.

 


Verpflegt werden die Amerikaner von Frau Böswald in der Mühle - mit Essen und weiß der Himmel mit was noch!
Böse Gerüchte kursieren, wo doch in der Mühle so viele junge Mädels untergebracht sind!

Auf jeden Fall sind die Jeeps der Amerikaner allgegenwärtig im Alltag des Dorfes.

 
     
 

 


Die GIs nutzen generell jede Gelegenheit, um mit den hübschen deutschen "Fräuleins" anzubandeln. Und die Mädels gehen bereitwillig darauf ein...
Aber auch reifere Jahrgänge bemühen sich um gute Beziehungen - so was hat noch nie geschadet.

 

 


Was ist nun davon zu halten, wenn so ein Amerikaner Briefe und Geschenke schickt?
Die Luise erhält ständig Post von einem jungen amerikanischen Soldaten. Der Corporal Elliott ist auch noch ein Constable, ausgerechnet so einer, der überall ganz genau hinschaut!

 
 Luise erhält einen Liebesbrief von Cpl. Clarence Elliott    Ein Päckchen mit duftender Seife aus Paris!


Die Damen im Dorf werfen mißbilligende Blicke und Minna Bonschab hält ihrer neuen Adoptivtochter eine Standpauke: "Erst kriegst du eine Seife, dann kriegst du Nylons, dann kriegst du ein Kind!"

 


Aber es ist zwecklos, trotz aller gut gemeinten Warnungen durchtanzen die beiden Turteltauben die Samstagnacht. Da ist der kaputte Knöchel doch glatt vergessen und der Stock liegt achtlos in der Ecke... Luise kommt erst im Morgengrauen ins Haus geschlichen.
Je nun, wir werden sehen, was daraus wird - vielleicht nimmt Mr. Elliott seine Luise tatsächlich mit nach Amerika?

 

 


 

 

Bilder von unserem Darsteller-Fotografen Jens Schmidt mit alten Kameras:

 

Bilder von Gernot Rieker:


Bilder von Frank Lück:



Bilder von Michael Leyendecker:



Bilder von Jan Wittenberger:


Bilder von "Art_fotografie_sulmtalix":



Bilder von Kathrin Häupler alias Anna Maria Eder:


Bilder von Mike O'Neill:


Bilder von Henrike Schwark alias Minna Bonschab: