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Colle del Lupo, unser italienisches Feriendomizil für eine Woche im November 2022, beschert uns einen wunderbaren Altweibersommer mit atemberaubender Landschaft, Pferden (unseren eigenen und auch fremden) sowie Kultur von den Römern bis zur Renaissance...

Unsere Gastgeber sind Dorothea und Alex Geiss. Wir kennen sie aus Ochsenfeld, wo sie bis 2018 einen Reitstall betrieben haben. Wir waren sogar kurzzeitig mit unseren Pferden Einsteller in Ochsenfeld, bis hier in Ammerfeld alles für den Einzug unserer Pferde hergerichtet war. Danach hatten wir uns ein wenig aus den Augen verloren, bis wir vor einigen Jahren von ihrem Umzug nach Italien hörten.

Eigentlich hatte Doro einen neuen, größeren Hof in Süddeutschland (z.B. im Bayerischen Wald) gesucht, aber sie fand kein passendes Anwesen. Dann lief ihr das Angebot für dieses wunderschöne Landgut in den italienischen Marken über den Weg.  Die Entscheidung war sicher nicht leicht, aber die Familie brach die Zelte hier ab und bietet jetzt in Colle del Lupo Ferienwohnungen und Reiturlaub an. Außer dem Urlaubsbetrieb züchten sie auch noch Isländer Pferde. Und Alex zeigt interessierten Besuchern gerne die Sterne mit seinem Teleskop.

Wir wollten Doro und Alex schon lange mal besuchen. Nun, Ende Oktober 2022, haben wir endlich unsere beiden Jungs eingepackt und sie in circa zehnstündiger Fahrt nach Italien geschippert. Berts Schwester Doris und unsere Nichte Luisa waren ebenfalls mit von der Partie.

 


Wie eine Burg thront das 160 Jahre alte Gehöft auf einer Hügelkuppe, mit weitem Rundumblick auf die umliegenden Hügel, auf die Kirche des kleinen Örtchens Fenigli und auf die Kulisse des Apeninn.

Das Gelände ist deutlich steiler als bei uns daheim. Kein Wunder, wir befinden uns ja am Rande des zentralen Apeninns. Jedenfalls müssen unsere Pferdchen ganz schön pusten. Zwar haben wir auch den kleinen Karren mitgenommen, damit wir zu viert mit nur zwei Pferden etwas unternehmen können, aber wir haben schnell gemerkt, daß das für Rufus zu viel wird.

   


Von Doro konnten wir einmal zwei Pferde ausleihen für einen gemeinsamen Ausritt, auf dem sie uns auch begleitet hat.
Ansonsten war es meistens so, daß Luisa und Bert hoch zu Roß im näheren Umkreis, Doris und Henrike mit dem Auto in der weiteren Umgebung unterwegs waren.

Bildergalerie von Colle del Lupo, der näheren Umgebung und unseren Ausritten:




 

Das unerwartete Highlight unserer Tour: Cavalli del Catria auf dem Monte Paganuccio / Zucht Romitelli & Asam

Wir hatten schon von Doro gehört, daß es in der Gegend um den Monte Catria und den Monte Nerone eine spezielle Pferdezucht gibt: die Catriapferde, benannt nach dem gut 1700 m hohen Monte Catria, einem Gipfel des umbrisch-märkischen Apeninn.

Angeblich wurden am Monte Catria schon vor 1000 Jahren Pferde gezüchtet, nämlich in der Abtei von Fonte Avellana. 980 wurde diese Einsiedelei auf Anregung des hl. Romuald an den Hängen des Monte Catria gegründet, im Laufe des Mittelalters wuchs sie durch ihr Skriptorium zu einiger Bedeutung heran. Petrus Damiani, einer der einflußreichsten Geistlichen des 11. Jahrhunderts, war hier seit 1035 Mönch und Prior seit 1043. 1310 besuchte der Dichter Dante Alighieri die damals berühmte Bibliothek des Klosters, deren historische Schätze heute verstreut sind. 1570 ging das Kloster ganz an den Orden der Kamaldulenser über, dessen Mönche noch heute hier leben.

Leider schaffen wir es nicht, Fonte Avellana zu besuchen. Aber für uns sind sowieso die Pferde viel interessanter - vor allem das Konzept, die Herde freilaufend zu halten.

In Vorbereitung auf unseren Urlaub im Internet gestöbert, fanden wir die Adresse von Hubert Asam - kleiner Wolf, er wohnt etwa 10 km von Colle del Lupo entfernt.
Hubert Asam beobachtet und studiert das Miteinander der Pferdeherde von Fausto und Giacomo Romitelli und der im selben Lebensraum umherstreifenden Wolfsrudel.
Nach kurzentschlossener Kontaktaufnahme per Email haben Bert und Luisa gleich am Mittwoch einen Reitausflug zu Hubert unternommen.

Für den folgenden Tag wurden wir dann alle eingeladen, um gemeinsam mit Hubert auf den nahe gelegen Monte Paganuccio zu fahren. Hier lebt ein Teil der Herde der Romitelli-Zucht, frei über den ganzen Berg verteilt, Stuten, Fohlen und Hengst, zur Zeit etwa 150 Tiere. Es gibt noch weitere Catria-Herden, am namensgebenden Monte Catria selbst und am Monte Nerone, aber es ist die Herde am Monte Paganuccio, die von Hubert besonders eng beobachtet und betreut wird.

 


Catriapferde sind mittelgroß und zumeist rotbraun mit dunkler Mähne und Behang
, manchmal auch dunkel- bis schwarzbraun. Füchse sind eher selten, aber auch zulässig. Um die leichten Kaltblüter schlank zu halten, wurden in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Hengste anderer Rassen wie Maremma-Pferde eingekreuzt. Auch Freiberger Hengste hatten ihren Anteil an der jetzigen Optik der Cavalli del Catria - die Ähnlichkeit beider Rassen ist augenfällig.
Mittlerweile sind die Züchter an einem Punkt angekommen, an dem sie sehr zufrieden sein können.



Die Pferde leben frei, sie sind aber nicht wirklich wild.
 Sie sind in ein Zuchtbuch eingetragen, gechipt und haben immer wieder Kontakt zum Menschen.
Die meiste Zeit ihres Lebens dürfen sie allerdings im freien Herdenverband ohne Zäune und Grenzen leben.

 Die Erziehung in der Herde macht diese Tiere hochaufmerksam, sozial und sehr intelligent. Ihre Scheu bleibt, es sei denn man beschäftigt sich viel mit ihnen.
 Es wird bereits mit den Fohlen Kontakt aufgenommen, sofern die Stuten das zulassen. 

Die ersten drei Tage im Leben eines Catriapferdes sind unglaublich wichtig und interessant zu beobachten. In dieser Zeit sind sie aber auch am verletzlichsten und müssen vom Herdenverband gegen Wolfsattacken geschützt werden. Die Anwesenheit solch einer potentiellen Gefahr fördert den Herdenzusammenhalt und die enge soziale Bindung der Individuen, aber auch einen gelassenen Umgang mit vermeintlichen Gefahren, die erst hinterfragt werden und nicht mit blinder Panik quittiert werden. Ein Wolfsrudel mag eine Gefahr sein für ein wenige Tage altes Fohlen oder für ein altes und krankes Tier - aber nicht aber für eine gefestigte Herde.

Seit 2020 ist es das Bestreben der Zucht, eine durchgängig natürliche Aufzucht und Erziehung zu gewährleisten.
 Die Catrias werden frei geboren und leben frei.
 Sie werden einmal kurz als Fohlen instruiert und dann noch einmal mit etwa 2 Jahren, wenn entschieden wird, was mit welchem Pferd in Zukunft passieren wird, ob es zum Verkauf geht, in die Ausbildung (oder beides) oder ob sie zur weiteren Zucht genommen werden.

 Die Ausbildung findet direkt am Fuße des Monte Catria im Centro Ippico La Badia statt.
 Auch die Ausbildung erfolgt zu 100% nach natürlichen und ethologischen Vorgaben.
 (Infos aus catriapferde.de von Hubert Asam)

Bildergalerie vom Monte Paganuccio und den Catriapferden:



In der näheren Umgebung von Colle del Lupo:

 

"Bronzi Dorati" in Pergola
 
"Gola di Furlo"


Colle del Lupo liegt nur wenige Kilometer entfernt von der Kleinstadt Pergola.
1946 wurden hier in einem Acker im Ortsteil Cartoceto wertvolle römische Bronzestatuen aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. gefunden, die Goldenen Bronzen von Cartoceto di Pergola, für die extra ein Museum eingerichtet wurde.
Das Museum beherbergt außerdem noch einige interessante Exponate religiöser Kunst sowie eine Ausstellung mit Werken des in Pergola geborenen zeitgenössischen Künstlers Walter Valentini.

Pergola ist für uns auch die beste Möglichkeit, auswärts zu speisen, wenn wir keine Lust darauf haben, in unserer Ferienwohnung selber zu kochen. Daher sind die meisten Fotos (außer denen vom Museum) abends entstanden. Aber die gelbliche Straßenbeleuchtung gibt den alten Steinhäusern ohnehin ein besonderes romantisches Flair.

Bildergalerie von Pergola:


Ebenfalls nicht allzu weit von unserem Feriendomizil entfernt, in der "Gola di Furlo", hat der Fluß Candigliano eine tiefe Schlucht gegraben zwischen dem Monte Pietralata und dem Monte Paganuccio (der mit den Catriapferden). Die Furlo-Schlucht liegt an der römischen Via Flaminia, der alten Verbindungsstraße zwischen Rom und der Adriaküste.

Bildergalerie der Furloschlucht:



Etwa 30 km von Pergola entfernt, hoch auf einem Hügel, mit mächtigen Türmen und von einer Stadtmauer aus dem Jahr 1366 umgeben, liegt die italienische Gemeinde Corinaldo. Die Verteidigungsanlagen aus dem 15. Jahrhundert zählen zu den am besten erhaltenen der italienischen Marken und versetzen Besucher direkt ins Mittelalter. Mehr als 100 Stufen der steilen Treppe La Piaggia führen vorbei am alten Brunnen Pozzo della Polenta hinauf ins historische Zentrum, das auch über Jahrhunderte hinweg noch vollständig erhalten ist.

Da Corinaldo die italienische Hochburg des Halloween ist, haben wir den Ort gleich am Abend des 31. Oktober besucht. Der komplette historische Ortskern innerhalb der Stadtmauern war geschmückt, überall Musik und tanzende Gespenster oder Zombies, Projektionen von flatternden Fledermäusen und heulenden Wölfen an den uralten steinernen Mauern... ein Riesen-Spektakel. In dem Trubel und Gedränge haben wir allerdings nicht fotografiert.



Der erste größere Ausflug zu zweit (ohne Bert und Luisa, die lieber reiten gehen) führt Doris und Henrike nach Urbino:

 
Urbino ist wegen Architektur und Kulturgeschichte Teil des Weltkulturerbes. In der Renaissance erlebte die Stadt eine Blütezeit, in die unter anderem auch die Gründung der Universität (1506) fiel. Der bedeutendste Herrscher des Herzogtums Urbino (von 1444 bis 1482) war Federico da Montefeltro. Er war einer der erfolgreichsten Condottieri seiner Zeit, ein vorsichtiger Diplomat und ein Förderer von Kunst und Literatur. An seinem Hof wirkten Piero della Francesca, Francesco di Giorgio Martini und Raffaels Vater Giovanni Santi.

Der Palazzo Ducale der Herzöge von Urbino ist das bedeutendste Bauwerk der Stadt. Es wurde unter Federico da Montefeltro von Luciano Laurana, einem dalmatinischen Architekten, errichtet. Laurana war von Filippo Brunelleschis Bauten in Florenz beeindruckt. Der Palast wurde im 20. Jahrhundert teilweise als Regierungsgebäude genutzt. Er beherbergt die Galleria Nazionale delle Marche, eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen der italienischen Renaissance.

Die besondere Erde von Urbino, die noch immer für Keramiken und Ziegelfabrikation verwendet wird, ließ die Keramikmanufakturen (botteghe) und deren Glasuren als Majolika weltweit bekannt werden. Die ersten handelsüblichen Irdenwaren wurden ab dem 15. Jahrhundert von Urbino verschickt, nach 1520 förderten die Herzöge der Familie Della Rovere, Francesco Maria I. und sein Nachfolger, Guidobaldo II., die Manufakturen, deren Produkte in ganz Italien als istoriato bekannt wurden. Der Stil der feinen Arabesken und grottesche wurde weltweit bekannt.

 
Piero della Francesca: Madonna di Senigallia   Raffael: La Muta



Wir besichtigen die Nationalgalerie der Marken im Palazzo Ducale und wandern anschließend - nach einem wohlverdienten Cappuccino - gemütlich durch die malerischen Gassen.




Unser zweiter größerer Ausflug führt uns in Richtung Adria.

 
Steilküste im Naturpark Monte San Bartolo bei Fiorenzuola di Focara   Castello di Gradara


Von Pesaro aus fahren wir nordwärts auf der Strada Panoramica Adriatica durch den Naturpark Monte San Bartolo, der eine willkommene Abwechslung darstellt an der flachen Küste der nördlichen Marken. Hier zwischen Pesaro und Gabicce ersteckt sich das Vorgebirge auf einer Länge von 10 km bis zum Meer. Der Park ist nur spärlich bebaut, entlang der Panoramatraße liegen nur die winzigen mittelalterlichen Ortschaften Fiorenzuola di Focara und Casteldimezzo.

Wir besichtigen Fiorenzuola di Focara und steigen die steilen Serpentinen hinab zu dem kleinen naturbelassenen Sandstrand unterhalb des Örtchens - und wieder hinauf *keuch* zu unserem Auto...

Bildergalerie Fiorenzuola di Focara:




Da es so nahe liegt, machen wir noch einen kleinen Abstecher ins Landesinnere nach Gradara. Theoretisch kann man von der Burg aus die nur 3 km entfernte Adriaküste sehen - allerdings ist es bei unserem Besuch zu diesig. Leider wurde es auch schon später Nachmittag, so daß wir auf eine Besichtigung der Burganlage und der Innenräume verzichtet haben. Wenigstens langte die Zeit für einen Spaziergang durch die Gassen und eine Umrundung der mächtigen Mauern.

Bildergalerie Gradara:





Bisher hatten wir die ganze Woche gutes Wetter: oft ein wenig windig, aber im Prinzip hat der Sonnenschein immer die Oberhand gewonnen über die spärlichen Wolken. An diesem letzten Urlaubstag - Samstag, dem 5. November - ist aber für einige Stunden am Vormittag und über Mittag tatsächlich Regen angesagt.
Gleich in der Früh besuchen wir alle gemeinsam das kleine Museum in Pergola (Fotos weiter oben).
Dann warten Luisa und Bert in Colle del Lupo auf den trockenen Nachmittag zu einem letzten Ausritt.

Doris und Henrike fahren unterdessen in Richtung Süden, über Sassoferrato zu dem Karsthöhlensystem Grotte di Frasassi - ein gutes Ziel bei schlechtem Wetter.
Die einzigartige Märchenwelt aus glitzernden Stalagmiten und Stalagtiten zählt zu den größten Höhlensystemen Europas.

Bereits 1948 und 1966 wurden im Naturpark Gola della Rossa diverse Höhlen entdeckt.
Im September 1971 wurde dann ein Forschungsteam auf die Grotta del Vento aufmerksam, ein großes Loch, aus dem ein starker Wind wehte. Sie seilten sich in die riesige darunter liegende Höhle ab und entdeckten so die gigantische Abisso Ancona - so groß, daß der Mailänder Dom darin Platz fände. Nach intensiven Forschungs- und Sicherungsarbeiten wurden die Grotte di Frasassi drei Jahre später, am 1. September 1974, auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein anderthalb Kilometer langer, bequem begehbarer Weg führt die Touristen durch das Höhlensystem. Auf Wunsch werden auch anspruchsvollere Touren mit spezieller Ausrüstung angeboten.
Die Forschungsarbeiten dauern in den noch unerschlossenen Höhlenteilen bis heute an.

 


Die eigentliche Geschichte der Höhlen beginnt aber schon vor ca. eineinhalb Millionen Jahren. Bereits seit dieser Zeit spült das schwefelhaltige Wasser des Wildbachs Sentino den Stein aus und hat so dieses spektakuläre, wundervolle Naturschauspiel geschaffen.



Die Grotten befinden sich im Naturpark Gola della Rossa e di Frasassi, auf dem Gebiet der kleinen Gemeinde Genga.
Wir besuchen Genga, das in typischer Manier auf einer Hügelkuppe thront. Das kleine Museum, dessen Eintritt im Preis der Führung durch die Grotten mit enthalten war, ist übrigens durchaus sehenswert.

 
Museum von Genga   San Vittore delle Chiuse


Etwa sechs Kilometer südöstlich von Genga, nahe der Schlucht des Sentino und der Tropfsteinhöhlen von Frasassi steht im kleinen Heilbad San Vittore delle Chiuse die Abbazia di San Vittore delle Chiuse, von der noch die in den Jahren 1925–1932 restaurierte Kirche erhalten ist. Das im 11. Jahrhundert gegründete Kloster gehört zu den bedeutendsten romanischen Bauwerken der Marken.

Die Kirche erhebt sich als Zentralbau über dem Grundriss eines griechischen Kreuzes und folgt damit der östlichen, das heißt der armenischen und byzantinischen Architektur. Der hallenartige Innenraum mit seinen sehr hohen Rundpfeilern über der Vierung, die die niedrige Kuppel tragen, weicht allerdings von der orientalischen Kreuzkuppelkirche ab. Je eine Apsis findet sich an der Nord- und der Südwand. Sie erreichen dieselbe Höhe wie die drei Apsiden der Ostwand.
Im 15. Jahrhundert wurde der Campanile hinzugefügt.


Bildergalerie Genga:



Bildergalerie San Vittore: