Es ist Frühjahr, wir schreiben das Jahr 1809. Französische und bayerische Truppen versammeln sich, um das von den Österreichern besetzte Dorf Eggmühl in der Oberpfalz zu stürmen.

Moment mal... Franzosen und Bayern? Die Franzosen waren doch unsere Feinde???

Wikipedia erzählt uns da Einiges zur bayerischen Geschichte:

1805 schloß sich Bayern vertraglich dem Napoleonischen Frankreich an. 1806 wurde das Kurfürstentum Bayern als Dank für seine Unterstützung von Napoleon zum Königreich proklamiert. Erst am 8. Oktober 1813, kurz vor der Völkerschlacht bei Leipzig, wechselte Bayern gegen die Zusicherung, seine annektierten Gebiete behalten zu dürfen, ins Lager der Gegner Napoleons.

Ach so, ja, Leipzig = 1813, Montmirail = 1814, Waterloo = 1815 - das ist alles später! Im Jahre 1809 standen die Bayern noch treu auf der Seite des Empereurs. Also finden auch wir uns diesmal auf der "falschen" Seite wieder.

Jedenfalls reisen Fuhrmann, Weib und Karrengaul Ende Mai 2016 mit großem Gepäck in Eggmühl an. Der Planwagen, der uns bereits in Waterloo letztes Jahr begleitet hat, gehört uns mittlerweile und wir stellen ihn dekorativ auf die Wiese und nutzen ihn als unser Domizil. Mit ein paar weiteren Planen und Holzstangen zaubert Bert im Handumdrehen ein malerisches Lager.

Geschlafen wird im Planwagen, wir leben ganz dekadent als wohlhabende Händler, mit weichem Federbett, Meissener Porzellantässchen und silbernen Löffeln.

Wir hatten die verrückte Idee, als mobile Kolonialwarenhändler ein breites Angebot an Erzeugnissen aus den diversen Kolonien anzubieten. Mit großem Spaß sind wir an die Vorbereitung gegangen und haben erst mal selbst kräftig eingekauft! Bert hat Kisten und Kästchen gebaut, damit unsere Waren ordentlich auf dem Karren verstaut werden können. Man glaubt gar nicht, was man auf dem kleinen Fahrzeug alles unterbringt!

Unsere Angebotspalette umfaßt:

* Kaffee: in ganzen Bohnen (günstig) oder gemahlen (teuer) - mit der Option, die Handmühle für 10 Cent zu "mieten" und selbst zu mahlen...

* indischer Tee: reiner Darjeeling oder ein herrlich duftender Assam, gewürzt mit Kardamom, Zimt, Pfeffer und Nelken

* Kakao: gehackte Bohnen, Kakaorohmasse, Trinkschokolade, Schokolade im Block

* Tabak: Pfeifentabak, Schnupftabak, Kautabak, Zigarren

* Gewürze: schwarzer, roter und langer Pfeffer, Chili, Sesam, Zuckerhüte, Zimt-Zuckerhütchen

* kleine Leckereien wie kandierter Ingwer, Datteln, getrocknete Maulbeeren und Berberitzen, exotische Nüsse, usw.

Einige Gruppen im Feldlager kaufen ganz gut bei uns ein, insbesondere die Köchin der badischen Jäger nimmt Kaffee und Tee in größeren Mengen. Die Soldaten machen sich vor allem über die Schokolade her. Als Geheimtipp gilt übrigens der Verzehr eines Kakaorohmasse-Talers mit einer Dattel.

Die Stabsoffiziere hingegen sind sehr zögerlich und schauen nur widerwillig von ihren strategischen Plänen auf. Ein hoher Herr kauft uns jedoch ein wenig Pfeifentabak ab.

Am Samstag kommen noch einige modisch gekleidete, offensichtlich sehr wohlhabende Bürger aus der großen Stadt - hier ist das Interesse an Ingwer, Beeren und anderen Schleckereien besonders groß. Sogar einen indischen Seidenschal kann ich einer feinen Dame verkaufen.

Gemeinsam mit den Soldaten ziehen auch wir mit unserem Karren durch Eggmühl.

Als es zur Schlacht kommt, möchte der Fuhrmann bereit stehen, um eventuell Verwundete vom Feld zu holen und zum Wundarzt zu bringen. Karrengaul Rufus weigert sich diesmal aber vehement, das Schlachtfeld zu betreten. Nicht die Kanonen  sind das Problem, nein! Die Aktion findet auf einem feuchten Gelände statt, auf dem die ersten Bremsen des Jahres zutage treten. Rufus zappelt rum, schüttelt sich, mag überhaupt nicht mehr ruhig stehen und nimmt jede Kleinigkeit zum Anlaß, seinen Unwillen zu bekunden.

Da unser Karrengaul so wenig kooperativ ist, müssen die Verwundeten zu Fuß zum Feldscher gebracht werden. Der Wundarzt demonstriert den Zuschauer eindinglich, daß Krieg kein hübsches Spektakel zur Belustigung ist - mit blutiger Schürze und gezückter Knochensäge.

Als die Schlacht siegreich beendet ist, strömen die müden Krieger wieder zurück in den Ort. In Eggmühl findet man Freund und Feind gemeinsam - o Wunder - an der Kneipe wieder!

Karrengaul Rufus steht arglos vor der Kneipe und säuft sein Belohnungsbierchen (Film), da kommt die französische Artillerie daher und requiriert ihn kurzerhand mitsamt seinem Karren (Film), um das schwere Geschütz zurück ins Lager zu ziehen (Film).

Kanonenziehen ist wirklich Rufus' Königsdisziplin! Am Abend rückt er noch mal aus und zieht gleich zwei französische Kanonen auf einmal vom Lager durch den Ort bis zur Wiese, wo die nächtliche Vorführung stattfinden soll (Film).

Rufus ist inzwischen das Maskottchen der Artillerie und bekommt von überall Bierspenden. Im Lager steht schon ein halber Kasten voller Flaschen, die ihm von diversen Fans zugesandt wurden! An diesem arbeitsreichen Tag - erst die Schlacht bei brütender Hitze, dann die zwei schweren Kanonen - ist Herrchen sehr großzügig mit der Bierration, die dem Gaul zugeteilt wird. Hoffentlich hat er morgen früh keinen Kater!

So, und jetzt ist Feierabend:

Zum Abschluß ein Filmchen (Ton laut machen!) von Rufus am Morgen danach...