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Gilette, Freiberger, 1993-2021


geboren am 22. Februar 1993
in Blitzingen (Wallis)
Mutter: Gazelle
Vater: Calyptus




Gilette ist am 22. Februar 1993 in Blitzingen im Kanton Wallis geboren, als Züchter(in) steht in ihren Papieren Ruth Summermatter. Ich habe die Freiberger Stute im Juli 1999 von einem deutschen Händler nahe der Schweizer Grenze gekauft, da war sie gerade 6 Jahre alt.

Irgendwann habe ich mit Nachforschungen begonnen.

Eine Ruth Summermatter in Blitzingen konnte die Auslandsauskunft damals nicht finden, wohl aber einen Pius Summermatter. Ich rief dort an, erkundigte mich nach Gilettes Mutter Gazelle und fragte, ob er sich an das Fohlen erinnern könne. Der Mann war erst mal völlig fassungslos und fing dann ganz aufgeregt an zu erzählen - allerdings in breitestem Schwyzerdütsch, was die Verständigung erheblich erschwerte und teilweise fast unmöglich machte.

Was ich damals verstanden habe:

Die Summermatters haben Gilette nicht nur gezüchtet, sondern auch selbst aufgezogen und später als Zuchtstute eingesetzt. Zwei Fohlen hat sie geboren, bei einer dritten Trächtigkeit hat sie verfohlt. Herr Summermatter schwärmte, sie sei sehr geländegängig gewesen - ja, das kann ich nur bestätigen!

Als im Februar 1999 die schweren Lawinenunglücke in der Schweiz Schrecken verbreiteten, war auch der Hof der Summermatters von dieser Bedrohung betroffen. Die Familie wurden mit Kind und Kegel evakuiert, die Pferde mußten Hals über Kopf irgendwo notdürftig untergebracht werden. Es war wohl auch in dieser Aufregung, daß Gilette ihr drittes Fohlen verlor.

Tatsächlich zerstörte eine Lawine den Stall in Blitzingen und es gab für die Pferde plötzlich weder Unterbringung noch Heu. Keine Möglichkeit, die Tiere zu behalten! Seine fünf Zuchtstuten verkaufte Herr Summermatter an einen Schweizer Händler, die beiden Jährlinge (darunter Gilettes Hengstfohlen vom Vorjahr) fanden so schnell keinen Abnehmer und wurden geschlachtet.

Gilettes Impfpass datiert auf wenige Wochen nach der Lawine und ausgestellt wurde er bei dem von Herrn Summermatter genannten Händler - die Geschichte ist also wasserdicht. Meine Stute wurde 2 Monate später an den Händler in Deutschland übergeben, von dem ich sie noch mal gute 2 Monate später erworben habe.

Bilder aus 1999-2005:


 

Der Freiberger ist ein Wirtschaftspferd im leichten Kaltbluttyp. Das mittelgroße Quadratpferd (Widerristhöhe 1,50 bis 1,60 m) ist sehr kompakt, trittsicher, mit verhaltenem Temperament und einem freundlichen, ausgeglichenen Wesen.

Der Freiberger wird traditionell eingesetzt als militärisches Train- bzw. Saumpferd sowie in Land- und Forstwirtschaft. Heutzutage wird der Freiberger vor allem als Familienpferd und Freizeitpartner geschätzt, sowohl unterm Sattel als auch vor dem Wagen.

Exkurs aus der Geschichte:

Der Ursprung der Freiberger Pferde liegt an der nordwestlichen Grenze des Schweizer Juras, im Hochplateau Franches Montagnes, zu Deutsch eben Freiberge. Vorgänger des heutigen Freiberger Pferdes war das Jurapferd, ein zähes, anspruchsloses, trittsicheres und umgängliches Bergpferd, das schon in vorrömischer Zeit im Jura beheimatet war.

Mit der Entwicklung des Handels und dem verbesserten Straßensystem unter römischem Einfluß begann eine mehr oder weniger geregelte Vermehrung von Nutzpferden auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. Die Gründung von Klöstern und die Einrichtung von klösterlichen Gestüten (z.B. seit dem 11. Jahrhundert das Kloster Einsiedeln südlich des Zürichsees) förderte - ebenso wie der weitere Ausbau von Verbindungsstraßen und der Einsatz des Hufeisens - eine kontrollierte, zweckorientierte Pferdezucht. Aus der Zeit des Mittelalters sind in der Schweiz drei verschiedene Pferderassen überliefert: Erlenbacher (Warmblut), Einsiedler (Warmblut) und Freiberger (Kaltblut). Nur der Freiberger konnte als Pferderasse bis in die heutige Zeit überleben.

Die heutige Rasse Freiberger entstand, indem der ursprüngliche Landschlag (das Jurapferd) mit Hengsten anderer Rassen "verbessert" wurde, um den wandelnden Bedürfnissen der unterschiedlichen Benutzer angepaßt zu werden.

Man liest immer wieder, daß die Schweizer Pferdezucht im 15. Jahrhundert einen entscheidenden Anstoß erlebte durch die Beutepferde aus dem Heer des Herzogs von Burgund, Karl dem Kühnen, der Ende Juni 1476 in der Schlacht bei Murten praktisch den gesamten Troß einbüßte, darunter zahlreiche Pferde vom Schlag der Comtois und Ardenner, die in Verbindung mit den Stuten des einheimischen Landschlags zur Züchtung ansehnlicher Arbeits- und Militärpferde eingesetzt wurden. Diese vorherrschende Meinung konnte allerdings anhand des umfangreichen Archivmaterials der Eidgenossenschaft und der Kantone Bern und Basel nicht verifiziert werden. Die Chronik von Diebold Schilling (Schweizer Bilderchronik) weist darauf hin, daß die fliehenden Burgunder die Rosse us den Wegen snitten d.h. die Pferde aus den Geschirren schnitten um darauf zu entkommen. Trotzdem wird wohl damals das eine oder andere Beutepferd seinen Weg in den Genpool gefunden haben.

Je nach politischen oder wirtschaftlichen Erfordernissen wurden im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Hengste - zuweilen geradezu gegensätzliche Modelle - in der Freibergerzucht eingesetzt. Eine Zeit lang rief die Landwirtschaft nach massigen kräftigen Pferden für den schweren Zug - es wurden kaltblütige Pferdeschläge eingekreuzt: Ardenner, Belgier, Comtois, Percherons. Dann sollte das Pferd wieder schneller und ausdauernder werden (z.B. für das Militär) - man kreuzte viel anglonormannisches Blut ein. Dies führte zu einem wenig einheitlichen Rassetyp.

1921 wird das Stammzuchtbuch für das Zugpferd d.h. das Ursprungszuchtbuch eröffnet. Weiter zurückliegende Daten sind mitunter unsicher, so auch die genaue Abstammung des Stammhengstes Vaillant. Obwohl man ab 1920 die Reinzucht beschloß, wurde noch bis 1950 in größeren Abständen die Zuführung anderer Rassen zur Formung des gewünschten Typs praktiziert und akzeptiert. Von 1921 bis 1950 wurden 4 Kaltbluthengste und 8 Halbbluthengste eingekreuzt.  Es bildete sich ein leichter, ein mittlerer und ein schwerer Schlag heraus.

Ende des 2. Weltkrieges gab es in der Schweiz einen Bestand von 152.000 Pferden. In den nachfolgenden Jahren verringerte sich der Bestand durch die zunehmende Mechanisierung der Landwirtschaft auf 50.000 Pferde. Einen erneuten Aufschwung der Pferdezucht brachte erst die Entdeckung des Pferdes als Freizeitpartner mit sich. Mit diesem neuen Einsatzgebiet mußte der Freiberger sich einmal mehr den veränderten Ansprüchen stellen. Um die Marktchancen des Freibergers zu erhöhen, plante die Gestütsleitung mit dem gezielten Einsatz des Zuchthengstes Doktryner ox eine Sporthengstlinie zu begründen, um einen leichteren, sportlichen Reitpferdetyp zu züchten. Mit dem modernen, leichten Freibergertyp sollte die Rasse im Wettstreit mit anderen Sportpferderassen bestehen.

Diese Veredelungen sind heute stark umstritten. In Folge des drastisch gewandelten Zuchtziels wurden in einer beispiellosen Verdrängungszucht in wenigen Jahren 4 Araberhengste und 27 hochblütige Warmblüter bei einer Population von nur knapp 3.000 Zuchtstuten eingekreuzt - obwohl der gewünschte leichtere Typ durch entsprechende Selektion innerhalb der Rasse ebenfalls zu erreichen gewesen wäre. Vor allem der Schwedentrakehner Aladin konnte sich durch seinen Sohn Alsacien durchsetzen. Alsacien wurde so massiv in der Zucht eingesetzt, daß die Mehrzahl der heutigen Freiberger ihn im Pedigree führt. In weniger als 20 Jahren wurde der schwere, kaltblütige Freibergertyp an den Rand des Aussterbens gedrängt.

Pferde anderer Rassen, die nach 1950 eingekreuzt wurden (wie Doktryner oder Aladin), gelten heute als Fremdblut. Durch die von Nelson (Nello, P-Linie), Alsacien (Aladin, L-Linie), Noé (N-Linie) und Qui-Sait (Q-Linie) begründeten Hengstfamilien sind viele Nachkommen mit hohem bis sehr hohem Fremdblutanteil (teilweise 25%-50%) in der Freibergerzucht verbreitet. Aber auch in den Linien, die auf die Gründerhengste Vaillant (Linien E, H, R und V) und Imprévu (C-Linie) zurückgehen, steigt der Fremdblutanteil.

Daß der Freiberger nicht zu den ausgestorbenen Rassen zählt , verdankt er sicherlich auch der Tatsache, daß sich die Zucht immer den Erfordernissen der Zeit angepaßt hat und dabei doch unverwechselbar geblieben ist. Dies dürfte auch in Zukunft eine der großen Herausforderungen bleiben. Die Anpassung an die jeweilige Marktsituation -  unter Berücksichtigung der Erhaltung der Rassemerkmale und des Genpotentials - ist nicht nur Teil der Historie des Freibergers, sondern wahrscheinlich auch seine Zukunft.

Inzwischen wurde das Freiberger Zuchtbuch geschlossen, es dürfen keine fremden Hengste mehr eingekreuzt werden. Pferde mit geringem Fremdblutanteil sollen gefördert werden, um den Genpool zu erhalten. Daher wurde die Kategorie Basispferde eingeführt: darunter versteht man Freiberger mit 0% bis maximal 2% Fremdblut. Die Kategorie deckt sich mit dem von der IGOFM (Interessengemeinschaft für Original Freiberger Pferde) eingeführten Bezeichnung Original Freiberger. Der Begriff Urfreiberger wurde geprägt von den Mitgliedern des Vereins RRFB (Reine Rasse Freiberger), denen die Förderung der Basispferde beim Schweizer Zuchtverband sowie IGOFM nicht weit genug geht und die sich daher abgespalten haben.

Gilette ist übrigens eine originale Stute mit 0% Fremdblut. Zwar stammt sie mütterlicherseits aus der U-Linie, die auf den Anglonormannen Uran zurückgeht. Da Urans Deckeinsatz aber bereits vor 1950 stattfand, zählt sein Vermächtnis nicht als Fremdblut.

Gilettes Sohn Rufus hat mit Radorn auch einen 0%-Freiberger als Vater. Emmeram hat über seinen Vater Eragon einen minimalen Fremdblutanteil, etwa 0,2%. Somit gehört unsere Fribi-Familie komplett zu den Original Freibergern.


 

Bildergalerie:



 

Das ganz große Abenteuer:
Der Wanderritt München-Großglockner-Venedig.

Einige Bilder von Unterwegs

Für alle, die viel Zeit haben und eine Flatrate - hier das gesamte Tagebuch der 6-wöchigen Reise:



 

Am 7. und 8. Januar 2011 ist Hengstselektion in Glovelier. Dort werden die dreijährigen Hengstanwärter vorgestellt und ihr Exterieur beurteilt. Wer die erforderliche Punktzahl erreicht, fährt für den 40-Tage-Test ins Nationalgestüt nach Avenches. Dort findet dann der Stationstest statt - die Junghengste werden von einem Fremdreiter und einem Fremdfahrer geprüft - die Gesamtnote entsteht aus dieser Prüfung und der Benotung der Bereiter des Gestüts, die 40 Tage lang mit den Hengsten gearbeitet haben. Nicht nur Rittigkeit und Fahreignung werden beurteilt, auch die Umgänglichkeit und der Verhaltenstest spielen bei der Benotung eine große Rolle.

Da wir auf der Suche nach einem geeigneten Fohlenvater sind, fahren wir nach Glovelier, um die Selektion der Junghengste anzuschauen - und um den Hengst Hermitage (Helix/Cardin/Eliot) in natura zu betrachten, der bei Jean Monin in Glovelier stationiert ist.

Und hier ist der hübsche junge Mann, der bei seiner eigenen Hengstselektion die Traumnoten 9 (Typ) / 8 (Körperbau)  / 8 (Gänge)  erhielt. Ein Traum von einem Freiberger!

Bei uns ist so weit alles fest ausgemacht: Gilette fährt am 25.2.2011 nach Glovelier zu Hermitage. Dann können wir auf dem Rückweg gleich am 26.2. in Avenches die Hengstkörung anschauen.

Da die Schweiz nicht in der EU ist, muß einiges an Papierkrieg erledigt werden.

Zunächst habe ich über ein Carnet ATA nachgedacht. Das benutzt man wohl hauptsächlich auf Messen, wenn Waren ins Ausland transportiert werden und dann wieder mit nach Hause gebracht werden.
Vorteil: man ist nicht an die "Bürozeiten" des Zolls gebunden, es reicht wohl wirklich (angeblich), das Carnet am Grenzübergang vorzulegen (Vorsicht: es liegt keine eigene Erfahrung vor).
Nachteil: das Carnet ATA muß bei der zuständigen IHK beantragt werden. Die verlangen eine Bankbürgschaft (für den Fall, daß die Ware nicht zurückgebracht wird). Und hier beginnt das Theater...
Ich habe bei der IHK München angerufen. Kein Problem, sie schicken die Unterlagen zu. Für die Bankbürgschaft haben sie ein vorgefertigtes Formular. Tja, dieses kam meiner Bank komisch vor. Sie geben mir die Bürgschaft, überhaupt kein Problem - aber nur mit einem eigenen Formular! Oder der Vertrag der IHK müßte erst von der Rechtsabteilung überprüft werden (kostenpflichtig natürlich und das nicht zu knapp).

OK, ich habe dankend abgelehnt und gehe den Weg des alten "Freipasses" (jetzt "ZAVV").


Was brauche ich, um (m)ein Pferd vorübergehend in die Schweiz und wieder heim zu bringen?

1. Zur Einreise in die Schweiz:

Gesundheitszeugnis vom Amtstierarzt (seit 1.1.2011, wegen Seuchen wie EIA)
Equidenpaß
Formular 11.74 (beim Grenzübertritt auszufüllen)
ca. 175 Schweizer Franken (werden bei der Einreise hinterlegt) Vorsicht: kontingentiert - wenn Kontingent erschöpft, witd's deutlich teurer!
Nachweis des Verwendungszwecks (z.B. Ausbildungsvertrag, Schreiben des Hengsthalters)
Wertunterlagen (z.B. alter Kaufvertrag)
Bei Ausreise wird der Geldbetrag zurückerstattet. Dazu wird ein Formular 11.87 ausgefüllt.

2. Zur Wiedereinfuhr in die EU:


Formular INF3 = Auskunftsblatt für Rückwaren (vorher beim heimatlichen Zoll auszufüllen)
Equidenpaß
Ein Gesundheitsattest wird für Pferde, die aus der Schweiz kommen, nicht verlangt


INF3 (deutsches bzw. EU-Formular): Rückwarenregelung Auskunftsblatt

Auszufüllen sind die Adressen von Ausführer (Pferdebesitzer) und Empfänger (Hengsthalter), das Bestimmungsland (Schweiz), Anzahl/Art/Bezeichnung der Ware (1 Pferd, Nr. Equidenpaß, evtl. Chipnummer und/oder Signalement), Rohgewicht, Eigengewicht (geschätzt...), Statistischer Wert (hier scheint € 1500,- ein Grenzwert zu sein – man sollte wohl besser nicht mehr angeben – mir hat der Zollbeamte diesen Wert „in den Mund gelegt“...).

Ich habe das Formular schon ein paar Wochen vorher in Ingolstadt beim Zoll ausgefüllt. Da ich den Equidenpaß und alle Unterlagen vorgezeigt hatte, wollten sie das Pferd nicht sehen. Unter Umständen kann es aber sein, daß der Zoll einen Termin vereinbart und das Pferd am Stall vorher anschaut. Dazu muß jemand vom Zoll hinfahren = kostenpflichtig.
In unserem Fall aber waren die Kosten = null.

11.74 (Schweizer Formular): Vorübergehende Verwendung mit hinterlegtem Betrag

Auszufüllen sind Adressen von Versender, Eigentümer (Pferdebesitzer) und Empfänger (Hengstbesitzer), Land der Erzeugung (D), Land der vorübergehenden Bestimmung (CH), Land der endgültigen Bestimmung (D), Zweck der vorübergehenden Verwendung (Zucht, Decken), genaue Warenbezeichnung (also wieder: 1 Pferd, Equidenpaßnr. …), Eigenmasse, Rohmasse (wieder geschätzt), Statistischer Wert in CHF (CHF 2000,-, was etwa den € 1500,- entspricht).

Ich habe das Blankoformular vorher online bestellt, damit ich an der Grenze nicht so viel Zeit mit dem Ausfüllen der Papiere verliere.

11.87 (Schweizer Formular): Vorübergehende Verwendung / Abschluss
Auszufüllen wie 11.74.

Die Schweizer Zollbestimmungen für die vorübergehende Einfuhr von Pferden kann man auch im Netz nachlesen.


 

Ende Februar: Fahrt in die Schweiz

So, und dann ist Gilette in der Schweiz!
Wir sind am Freitag den 25.2. um 8:30 Uhr gestartet und um 15:30 in Glovelier vorgefahren.
Es waren doch 6 1/2 Stunden Fahrtzeit, allerdings fast nur Autobahn, also relativ stressfrei fürs Pferd.

An der Grenze (Basel) haben wir etwa eine halbe Stunde gebraucht, da zählt aber alles mit:
* kurze Fahrt hinüber zum Abfertigungs-Zollgebäude
* kleiner Fußmarsch (wir hatten nicht gesehen, daß wir vorne am Eingang auch hätten parken können)
* Gang zur Toilette
* Gang zur Information (sehr freundliche Auskunft)
* Gang zum deutschen Zoll/Ausfuhr im Erdgeschoss
(unser INF3 Formular wurde abgestempelt und wir bekamen einen Laufzettel, sehr freundlicher Zöllner)
* dann die Treppe rauf zur Schweizer Einfuhr und die eigentliche Zollabfertigung
(kurze Wartezeit, da alle ca. 10 Schalter besetzt waren und noch je 1 Antragsteller wartete - es ging trotz Andrang recht zügig)

Der junge Schweizer Zöllner war freundlich aber etwas langsam und umständlich (Pferde hatte er wohl noch nicht so oft abgefertigt), die Daten mußten alle im Computer eingegeben werden, den Brief des Hengsthalters (Stute kommt zum Decken) und Wertunterlagen (Uralt-Kaufvertrag von 1999) hat er für seine Unterlagen kopiert, dann den zu hinterlegenden Betrag ausgerechnet (Kontingent plus Steuer, knapp 175 Schweizer Franken), das Geld mußten wir an der Kasse bezahlen, dort bekamen wir unseren abgestempelten Laufzettel zurück und konnten fahren (Laufzettel wurde an der Schranke bei der Ausfahrt vom Abfertigungsgebäude kontrolliert).

Das Gesundheitsattest vom deutschen Amtstierarzt wurde von dem Zöllner übrigens zur Kenntnis genommen, aber er hat es nicht mal gelesen. Ob es auch ohne gegangen wäre? Ich habe leider vergessen zu fragen...

Gilette hatte ihre dünne Abschwitzdecke drauf, der Hänger war hinten zu, nur ein kleines Eck hat Bert mit einem Expander hochgezogen zur Durchlüftung. Das hätte etwas mehr sein können, denn Gilette hat geschwitzt (aber nur leicht), aber beim letzten Mal war die Plane offen und da hatte es offensichtlich durch den Fahrtwind gezogen und sie stand ganz verkrampft da, als wir schauten. Diesmal war es deutlich besser.

Jedenfalls stieg Gilette nach den 7 Stunden aus ihrem Hänger, als ob nichts wäre und schaute sich erst mal um, wo es hier was zu fressen gibt (obwohl sie fast gar nicht an ihrem Heunetz war während der Fahrt, das ist nämlich noch voll).

Schweren Herzens lassen wir sie bei Jean Monin und hoffen, daß sie schnell rossig wird und gleich aufnimmt...


 

Mitte März: Streptokokken!

Nach einer knappen Woche erhalten wir die Nachricht, daß Gilette gedeckt wurde. Über 2 Wochen banges Warten, dann die enttäuschende Nachricht: es hat leider nicht geklappt.

Als die nächste Rosse ansteht, hat sich Madame eine Streptokokken-Infektion zugezogen. Zum Glück schaut Jean Monin die Pferde wohl immer sehr genau an, er hatte nämlich einen leichten Scheidenausfluß bemerkt und mein Mädel untersuchen lassen. Ist ja nicht so ganz selbstverständlich, daß so was gleich entdeckt wird! Wir hatten eigentlich Mitte Januar getupfert und Gilette war sauber, aber sowohl der Schweizer Tierarzt als auch meine "zweite Meinung" (unsere Hoftierärztin, die ich gleich angerufen habe) sagen dasselbe: so was kann jederzeit passieren, zumal bei einer älteren Stute, wo der Scheidenschluß nicht mehr so fest ist. Eine Deckinfektion (also durch Infektion des Hengstes) ist es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht, sondern die Erreger sind einfach allgegenwärtig - nur sollten sie eigentlich nicht in die Scheide gelangen. Typischer Fall von "Pech gehabt"..

Natürlich rosst Gilette ausgerechnet jetzt, so daß eine Periode komplett ausfällt zum Decken. Gilette bekommt jetzt Spülungen, dann wird noch mal eine Tupferprobe gemacht - wenn die OK ist, kann bei der nächsten Rosse (vermutlich die Woche vor Ostern) wieder ein Deckversuch gestartet werden. Danach müssen wir wieder 3 Wochen warten - dann sind wir schon locker im Wonnemonat Mai...

Wenigstens sehen beide Tierärzte in einem einmaligen Streptokokken-Befall kein grundsätzliches Problem - es muß halt behandelt werden. Und wenn man Pech hat, kann es hartnäckig sein. Nur bei einer immer wiederkehrenden Infektion müßte man was tun, eventuell sogar operativ für einen dichteren Scheidenschluß (was ich definitiv nicht tun werde). Schlimmstenfalls kann mit der Stute nicht mehr gezüchtet werden. Aber, wie gesagt: ein einmaliger Befund ist erst mal kein Grund zur Panik...


 

Freitag der Dreizehnte (Mai): Rückfahrt nach Ammerfeld

Am 12. Mai kommt der lang ersehnte Anruf aus der Schweiz, vom Tierarzt: Gilette ist trächtig!
Allerdings sagt er, ihr Uterus schaue nicht so toll aus, ein paar Zysten... ich soll in 4 Wochen noch mal kontrollieren... gut möglich, daß sie wieder resorbiert... aber jetzt im Moment hat sie ein Fohlen von Hermitage im Bauch!

Bert nimmt sich gleich frei und am Freitag dem 13. düsen wir nach Glovelier, um Gilette wieder nach Hause zu holen.

Das Kapitel Zoll war außerordentlich erfreulich: die Zöllner auf beiden Seiten waren freundlich, kompetent, schnell. Zeitverlust gab es nur, um das hinterlegte Geld zu holen, denn die Kasse ist im großen Abfertigungsgebäude auf der anderen Seite (D -> CH), das war ein ganzes Stück zu laufen. Dafür wollte der deutsche Zoll gar nichts. Wir sind zunächst zur Warenabfertigung/Handelswaren gegangen, die Mitarbeiterin studierte die Papiere, runzelte die Stirn, strich das Ganze durch und schrieb groß "privat" drauf und meinte, wir sollen einfach mit dem Reiseverkehr durchfahren und unser "INF 3"-Formular abgeben und gut ist's.

Für uns war's ein stressiger Tag. Abfahrt Ammerfeld 7:00 Uhr, Ankunft Glovelier kurz nach 12:00 Uhr, Abfahrt Glovelier ca. 14:00 Uhr, Ankunft Ammerfeld 21:30 Uhr - mit Tank-, Eß- und Pipi-Pause. Gilette hat's aber total gut weggesteckt, sie war nicht aufgeregt und hat nicht mal leicht geschwitzt.

Daheim gab's große Begrüßung zwischen Letti und Molly - beide haben sich mit einem Riesenkragen angeblubbert und Gilette hat Molly sogar angerosst (o je, ich habe Bedenken, daß das Fohlen schon wieder weg ist...).
Einzig und allein Gilettes neuer jurassischer Freund (ein 3-jähriger Wallach von Hermitage), der mit ihr und einer weiteren 3-jährigen Stute die Koppel geteilt hat, ist jetzt todunglücklich. Jean Monin sagte, er hing so an Gilette, daß sie sogar gemeinsam in eine Box marschiert sind und sich fortan nachts eine Box geteilt haben. Der Arme war ganz aufgeregt, als wir Letti von der Koppel holten und schrie ihr die ganze Zeit hinterher!


 

Kein Fohlen von Hermitage...

Am letzten Maitag kommt meine Tierärztin zur Kontrolle. Per Ultraschall sucht sie das befruchtete Ei... vergeblich... kein Fohlen da. Gilette hat offensichtlich resorbiert.

Ich war nicht wirklich überrascht, ich hatte dauernd schon so ein komisches Gefühl. Ich könnte nicht in Worten ausdrücken, was mich gestört hat, aber irgendwas war nicht richtig... Na ja, lieber resorbiert sie gleich... das Fohlen in den letzten Monaten oder bei der Geburt zu verlieren, das stell ich mir schlimm vor!

Ich würde ja bis nächstes Jahr warten und es dann noch mal versuchen, aber Gilette ist Jahrgang 1993 und wäre dann schon 20 bei der Geburt. Und noch ist es nicht zu spät im Jahr... Also beschliessen wir, unser Glück noch mal zu versuchen. Diesmal aber nicht in der Schweiz, sondern in Franken, mit dem Hengst Eragon...

 


 


Noch ist es nicht zu spät im Jahr, um Gilette noch einmal decken zu lassen...

Der Auserwählte heißt Eragon, ist gerade mal 3 Jahre alt, hat nur 0,39% Fremdblut  und stammt ab von Eiffel/Corrado/Jéricho.

Bereits im Januar haben wir ihn kennengelernt - als Teilnehmer an der Hengstselektion in Glovelier, wo er von Pierre Koller vorgestellt wurde:

(Foto oben: Dana Krimmling)

Beim Stationstest am 26. Februar sind wir ihm wiederbegegnet. Eragon belegte insgesamt den sechsten Rang, war aber im Verhaltenstest der unangefochtene Sieger mit einer Traumnote von 8,24. Was wir vorher nicht wußten: Anja Link vom Reitstall Grüne Au in Röthenbach an der Pegnitz hatte mit dem Besitzer Pierre Koller vereinbart, daß sie den Junghengst im Falle einer erfolgreichen Körung kauft und nach Deutschland holt.

 

Erfahren haben wir das leider erst in Avenches, nachdem wir Gilette gerade bei Hermitage abgeliefert hatten. Hätten wir es vorher gewußt, hätten wir erst die Körung abgewartet und hätten Gilette die anstrengende Fahrt in die Schweiz ersparen können.

 

Mitte Juni haben wir das OK unserer Tierärztin: Gilettes Tupferprobe ist in Ordnung, die Tierärztin hat beim Ultraschall auf dem linken Eileiter einen 3,5 cm großen Follikel festgestellt. Sie beschließt, Gilette anzuspritzen (mit PGF2a ?) und am Freitag dem 17. Juni fahren wir Letti nach Röthenbach. Molly darf Gilette begleiten und ihr zur Seite stehen...

Die erste Begegnung zwischen Gilette und Eragon verlief noch ein bißchen stürmisch, aber leichte Rossesymptome sind schon zu erkennen. Immerhin hat sie dem Jungspund nicht gleich den Kopf abgerissen!

Am Samstag wird vom Hoftierarzt in Röthenbach noch mal geschallt und in Absprache mit meiner Tierärztin hCG gespritzt, am Sonntag darf Eragon zum erstan Mal decken. Montag wird der Follikel noch mal kontrolliert und am Montagabend deckt Eragon zum zweiten Mal. Noch am selben Abend holen wir unsere Mädels wieder nach Hause.

Die Ultraschalluntersuchung am 6. Juli hat gezeigt, daß es leider nicht auf Anhieb geklappt hat. Unsere Enttäuschung ist groß, aber einen Versuch wagen wir noch.

Noch einmal fahren wir mit Gilette nach Röthenbach, Gilette ist wieder angespritzt und muß zeitgenau gedeckt werden. Natürlich ist wieder Wochenende - das ist es immer bei solchen Aktionen - und Eragons Besitzer wollen zeitig in die Schweiz fahren. Schon um halb sechs in der Früh wecken sie daher Eragon und bringen ihn zu Gilette zum Deckstand. Der arme schlaftrunkene Hengst ist erst mal völlig überfordert mit seiner Aufgabe. "Wie... jetzt? Um diese Uhrzeit? Geht nicht!". Anja Link berichtet uns vergnügt, daß es einige Zeit gedauert hat, bis Eragon wach genug war, um seine Pflicht als Deckhengst erfüllen zu können. Am Sonntag abend deckt Eragon noch einmal, am Montag stellt der Tierarzt per Ultraschall fest, daß der Follikel abgegangen ist, wir können Gilette also wieder nach Hause holen. Jetzt heißt es wieder: 16 Tage warten...

Gilette bekommt Regumate um die Trächtigkeit zu erhalten. Sie ist extrem verschmust und ich führe das auf eine Schwangerschaft zurück - aber halt: das Regumate gaukelt ja dem Körper eine Schwangerschaft vor. Vielleicht reagiert Gilette nur auf das Medikament. Kurz vor der Ultraschalluntersuchung sehe ich Gilette rossen, als ich ihr den Hintern kraule. Ich verschliesse meine Augen und ignoriere, was ich gerade gesehen habe.

Am 26. Juli ist es dann so weit: die Trächtigkeitsuntersuchung. Und für uns kommt das schon längst befürchtete aber trotzdem furchtbar enttäuschende AUS für unsere Fohlenpläne... Zumindest für dieses Jahr.

Ob wir's 2012 noch mal versuchen, von Gilette und Eragon eine kleine Gaia oder einen Egidius zu bekommen? Ich kann es noch nicht sagen...


 

Am 20. März 2012 haben wir Gilette wieder zu Eragon gebracht. Ganz ohne Hormonbehandlung oder sonstige unterstützende Maßnahmen wollten wir die Natur entscheiden lassen, ob es noch einmal ein Fohlen von Gilette geben wird oder nicht. Letti wird spontan rossig und läßt sich willig decken, erst am 30. März holen wir sie wieder heim.

Der Ultraschall am 16. April zeigt ein befruchtetes Ei - unsere Freude ist riesengroß. Ebenso groß ist die Angst, daß Gilette vielleicht doch wieder resorbiert. Der Embryo ist laut Tierärztin deutlich älter als 16 Tage, eher 20 oder sogar 23 Tage. Somit müßte die Befruchtung zwischen dem 25. und dem 28. März liegen.

Am 30. April bei der Kontrolluntersuchung ist es jedenfalls noch da, das Feferl. Ja, sie hat schon einen Namen: Genoveva. Dr. Dreyssig zeigte sie mir sogar auf dem Ultraschallbild: ein kleiner weißer Fleck im dunklen Gewölbe der Fruchtblase, mit einem winzigen schlagenden Herzen mittendrin.