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Gut ausgeruht und mit einem schmackhaften Frühstück im Magen beladen wir die Fuhrwerke wieder mit all unseren Habseligkeiten und setzen unseren Marsch fort. Der Engländer Neil reitet heute auf Lugano, während Kiss Me mit Naiade vor den Wagen gespannt wird.

Die Landschaft ändert sich: liefen wir gestern hauptsächlich über flache Getreidefelder, betreten wir nun hügeliges bewaldetes Gebiet. Das Blätterdach leuchtet in hellem saftigem Grün, brusthoher Farn säumt den Weg, dessen Spurrinnen sich immer tiefer in den Waldboden graben.

Die Steigungen sind deutlich spürbar, das große Gespann bleibt dann ein Stück zurück und wartet, bis der Weg frei ist, damit die Pferde die Steigungen mit Schwung nehmen können.

Einmal können wir uns ein gestelltes Foto nicht verkneifen, auf dem die Männer in die Speichen greifen, um den Wagen den steilen Weg hinauf zu schieben. Zum Glück war das aber in der Realität nicht nötig.

 

Nach einer kleinen Ruhepause am Wegesrand hören wir Musketenschüsse. Eine Sektion der Landwehr greift nach ihren Waffen und wird zur Unterstützung der Vorhut in den Wald befohlen. Es entspannt sich ein Gefecht, in dessen Verlauf das französische Grüppchen dank einer klugen Taktik unseres Leutnants eingekreist und gefangen genommen wird.

Die Fuhrwerke bekommen das Signal, den Wehrmännern in den Wald zu folgen, und wir begeben uns auf einen tief eingeschnittenen Hohlweg, steil bergab, mit tiefen Rillen, Felsbrocken und herabgefallenen Ästen.

Das ist eine echte Herausforderung für die Wägen, die über den buckeligen Boden holpern und sich mal nach links, mal nach rechts neigen. Das große Fuhrwerk hat schon allein durch sein Gewicht Probleme mit dem abschüssigen Weg. Der Pfad ist nämlich so schmal, daß Joachim, der Besitzer des Planwagens, nicht nebenher laufen kann, um die Kurbelbremse bei Bedarf zu bedienen. Der Kutscher beschließt, die Bremse fest angezogen zu lassen und den Wagen mit zwei feststehenden Rädern zu ziehen. Joachim schwitzt Blut und Wasser aus Angst um seinen schmucken Planwagen, aber Monsieur Ridelle und seine kräftigen Pferde meistern das schwierige Gelände und bringen den Wagen sicher und unversehrt nach unten.

Am Ausgang des Hohlwegs entdeckt Joachim, daß der Metallsplint, der das Wagscheit mit dem Wagen verbindet, halb weggebrochen und beinahe durchgerutscht ist. Es hätte sicher nicht mehr vieler Erschütterungen bedurft, bis auch der Rest des Splints zerbrochen wäre. Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn die Verbindung zwischen Pferden und Wagen mitten auf dem Hohlweg abgerissen wäre! Wir haben einen Ersatzsplint (nebst anderem Reparaturmaterial) auf unserem kleinen Karren und können das Wagscheit sofort sichern.

Die Fußtruppen schlagen wieder einen kleinen Pfad ein, der für die Fuhrwerke nicht passierbar ist, wir fahren stattdessen auf der Straße weiter, direkt in das Örtchen Bousval hinein. Zur Verblüffung der Passanten traben wir munter auf der Straße dahin, bis wir an der Kirche rechts abbiegen müssen, steil bergauf in einen Weg mit Kopfsteinpflaster. Am Ansatz des Wegs ist ein Abflußgitter für Regenwasser quer über die Fahrbahn eingesetzt, vor dem die Ardenner kurz zurückscheuen und dadurch ihren Schwung verlieren. Als sie wieder antreten, rutschen ihnen auf dem Kopfsteinpflaster die Hufe weg und sie stürzen beinahe. Nur unter größter Anstrengung schaffen sie es, den schweren Planwagen aus dem Stand die Anhöhe hinauf zu ziehen.

Auch Rufus erschrickt, als Kiss Me und Naiade auf dem Pflaster strampeln, ausgerechnet genau in dem Moment, als Bert vom Kutschbock klettert. Rufus bricht nach rechts aus auf einen Parkplatz, dann hat Bert ihn wieder sicher in der Hand und ich springe auch ab vom Wagen, um unser Gewicht zu reduzieren. Mühsam kämpfen wir uns die Steigung hinauf, die Ardenner sind schon um die Kurve und außer Sicht, Rufus kämpft mit aller Kraft, um den Anschluß nicht zu verlieren.

Oben angekommen, warten wir auf unsere Fußtruppen, während die Pferde langsam wieder zu Atem kommen. Der Boden unter den Ardennern ist tropfnaß vom Schweiß. Während wir noch warten, kommt ein Polizeiauto und befragt uns. Anwohner hatten unser an der Straße geparktes Trossfahrzeug bemerkt und fanden das fremde Auto wohl nicht geheuer. Nachdem geklärt ist, daß es sich um unseren Wagen handelt, sind die Polizisten zufrieden gestellt und fahren weiter - zu unserem seltsamen Aussehen und den Kutschwägen verloren sie kein Wort...

Wir vereinen uns wieder mit der Fußtruppe. Der Weg führt uns immer weiter über gewundene schmale alte Kopfsteinstraßen, über die sicher schon die preußischen Truppen vor 200 Jahren gelaufen sind. Wegen der starken Spurrinnen laufen wir beide nebenher, um Gewicht vom Karren weg zu nehmen und die Räder bei der Scherbewegung nicht noch zusätzlich zu belasten. Rufus läuft ganz entspannt, er marschiert frei, die Zügel einfach locker am Wagen befestigt, seine Nüstern an Berts Hand.

Eine größere Pause gönnen wir uns am wunderschönen Chateau de Palande, in dessen parkähnlichem Garten wir rasten dürfen.

Nach gebührender Erholung folgen wir wieder der Kopfsteinstraße, die auf den letzten 2 km extrem buckelig wird, bis zu unserem heutigen Übernachtungsplatz, der Ortschaft Ceroux-Mousty, in die wir trommelnd einziehen.

Viele Besucher kommen zu unserem Lager, das auf einer Wiese aufgeschlagen wird.

Der Himmel bedeckt sich, drohende Wolken ziehen auf, viele Besucher sind besorgt, was wir wohl bei Regen tun werden, da wir ja unter freiem Himmel nächtigen. Unsere lakonische Antwort: „Dann werden wir naß.“

Eine Abordnung marschiert zum zentralen Dorfplatz von Ceroux-Mousty, wo gleichzeitig eine Art Volksfest aufgezogen wird. Nach der Rückkehr meldet Unteroffizier Feuerhake pflichtschuldigst: „Sektion nach Volksbespaßung vollzählig zurück“.

Die Wehrmänner holen Wasser für Rufus, da der Wasseranschluß relativ weit entfernt ist. Monsieur Ridelle ist mit seinen Ardennern über Nacht nach Hause gefahren, damit wir auf dem begrenzten Areal keinen zweiten Paddock aufbauen müssen.

In Ceroux-Mousty wird uns allerhand Verpflegung für den Abend und den morgigen Weitermarsch bereit gestellt. Für das Abendmahl bekommen wir frische Hühnchen, die von den Köchinnen liebevoll zubereitet werden. Soldat „Baumi“ - ein echtes Original und Leihgabe einer anderen Einheit - rennt herbei und fragt ganz aufgeregt: „Helga hat Hühnerbeine?“, worauf Feldwebel Pott, Köchin Helgas Ehemann, mit gespieltem Zorn zurückfragt: „Helga hat WAS?!!!“

Als nachts tatsächlich der befürchtete Regen einsetzt, sind wir glücklich über unser improvisiertes Fuhrmannszelt, bestehend aus zwei Leinenplanen, die über die Anzen des Karrens gelegt und dann abgespannt werden.

Wir bleiben größtenteils trocken, nur Berts Leder-Kniebundhose liegt genau in der Traufe und ist am Morgen pitschnaß. Die anderen Leute liegen einfach unter ihren Wolldecken in der Wiese. Niemand hat wirklich Lust, jetzt noch einmal alles abzubrechen und bei einem Bauern in der Maschinenhalle zu übernachten, wie es uns angeboten wurde. Alle kriechen so tief wie möglich unter ihre dicht gewebten Wolldecken und hoffen, daß der Regen nicht ganz durchgeht. Bei den meisten hat das recht gut funktioniert.

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