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Wir fahren in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in den frühen Morgenstunden in Bayern los. Unsere Fahrtzeit kalkulieren wir auf 9 Stunden. Wir möchten das Camp möglichst vor Mittag erreichen, denn die momentan herrschende Hitzewelle macht das Hängerfahren zur Qual fürs Pferd. Die leere Autobahn lädt dazu ein, das Tempolimit für Anhänger etwas großzügig auszulegen, und bereits nach 8 Stunden erreichen wir Ligny, unseren Bestimmungsort in Belgien.

Wir liefern das mitgebrachte Bier der alteingesessenen Neuburger Brauerei Juliusbräu (in authentischen Holzfässern) in einem Kühlraum auf einem nahe des Lagerplatzes gelegenen Bauernhof ab, dann bauen wir mit Holzpfosten und Seil einen Paddock für Rufus. Nun können wir in aller Ruhe beobachten, wie nach und nach andere Teilnehmer eintreffen und weitere Lager errichtet werden.

Auch von unserer Gruppe stehen bald die ersten Zelte.

Nach einem nächtlichen Gewitter mit kräftigem Regenschauer ist der Freitag außerordentlich schwül. Der Rest der Westfälischen Landwehr trifft heute im Verlauf des Tages ein. Rufus darf ein bißchen grasen, er interessiert sich vor allem für die Pferde auf der angrenzenden Koppel. Abends wird unser Pferdchen zum ersten Mal angeschirrt, wir holen ein Bierfaß aus der Kühlung.

Zwar hat der Fuhrmann eigentlich keine Lust auf Arbeit, aber in einem militärischen Lager wird so etwas schlichtweg angeordnet, da gibt es keinen Widerspruch. Wir verbringen einen gemütlichen Abend, musikalisch begleitet von den Australiern Ricarda und Nick, die mit Drehleier und Dudelsack in unserem Lager aufspielen.

Diese ruhigen ein bis zwei Tage brauchen wir immer am Beginn einer Veranstaltung, damit sich Rufus an die neue Umgebung gewöhnen kann. Wenn wir ihm diese Eingewöhnungszeit gestatten, dann arbeitet er ruhig und zuverlässig mit und ist für jeden Unsinn zu haben.

Am Samstag überträgt uns Lieutenant Vahnenbroek einige Aufgaben zur Versorgung der Truppe. Während die Landwehr exerziert und die Landwehr-Lerchen ihr Liedgut proben, transportieren wir Lebensmittel für die Lagerküche, sammeln Brennholz, füllen das Wasserfaß auf und nehmen auch wieder ein Bierfaß aus dem Kühlraum mit. Wir holen das Schwarzpulver für die Truppen mit dem Karren ab, fahren sogar bis in den Ort, um Fleisch zu holen. Ansonsten rumpeln wir im Lager spazieren oder machen auch mal einen Ausflug mit den Marketenderinnen.

Offiziere und Fuhrleute werden von den Köchinnen versorgt, für die einfachen Soldaten werden Lebensmittelrationen vorbereitet und ausgeteilt. Jeder muß sein Essen selbst zubereiten – oder die Dienste der Marketenderei gegen Bezahlung in Anspruch nehmen.

Für unseren geliebten Feldwebel Pott gab es einen stimmungsvollen Festakt, bei dem ihm ein Klappstuhl als Altersruhesitz verliehen wurde. Selbstverständlich wurde die Zeremonie musikalisch begleitet von den Landwehr-Lerchen.

Besucher aus dem Dorf Ligny und aus der näheren und weiteren Umgebung kommen in Strömen auf das Feld, um die Soldatenlager zu besichtigen. Ein Besucher spricht mich auf Rufus an: „C'est un Franches-Montagnes?“ Der Mann ist selbst Kutschfahrer und hat unser Karrenroß sofort als Freiberger identifiziert. Sogar die Bürgermeister von Ligny und der französischen Partnerstadt Domvilliers besuchen unser Lager und loben die authentische Ausstattung der Westfälischen Landwehr.

Zum Samstagabend begleitet Bert den Wehrmann Jannick, der sich Rufus für eine Runde durch die Gassen ausgeliehen hat. Direkt vor dem französischen Lager (9e Leger) stellt sich Rufus breitbeinig hin und schlägt sein Wasser in der Lagergasse ab, sehr zum Unmut des dortigen kommandierenden Offiziers und damit zu unser aller Erheiterung. Jannick hat Rufus sehr gelobt für diesen gelungenen Ausdruck seiner Wertschätzung.

Wenn wir unserem Pferdchen eine Belohnung zukommen lassen wollen, müssen wir ihn nur ans Bierfaß lassen...

... und die Zigarre würde er auch gerne mal probieren.

Das Reenactment der Schlacht bei Ligny ist für den Sonntag angesetzt. Die Soldaten rüsten auf, exerzieren, bereiten sich vor. Wir fahren mit dem Karren alle Feldflaschen der westfälischen Wehrmänner zur Wasserstelle und füllen sie auf, bei der Schlacht selber sind wir nicht dabei. Unsere Westfalen, Westwestfalen (Franzosen), Wildwestwestfalen (Amerikaner) und Inselwestfalen (Engländer) müssen sich – gemäß dem überlieferten Schlachtverlauf – dem kleinen Korsen ein letztes Mal geschlagen geben. Wir nehmen es mit Humor und am Abend sitzen die verfeindeten Parteien ohnehin wieder Seite an Seite am Lagerfeuer.

Der Montag dient der Verlegung unserer Zelte von Ligny nach Waterloo. Das alliierte Lager der Briten und Preußen wird bei der historischen Farm von Hougoumont aufgeschlagen.

Wir bleiben mit Rufus in Ligny und stimmen uns auf den bevorstehenden Marsch ein. In drei Tagen wollen wir von Ligny nach Hougoumont marschieren. Zwar sind das nur etwa 40 km, aber die Wege sind mühsam und unser historisches Schuhwerk ist nicht gerade orthopädisch. Unser kleiner Karren soll die Feldküche transportieren: Töpfe, Pfannen, Grillrost, Viktualien. Für die Wasserfässer und die Wolldecken der Soldaten steht ein wunderbarer großer Planwagen zur Verfügung. Er soll von zwei angemieteten Kaltblütern gezogen werden, die morgen früh anreisen werden.

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