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Basilika Sainte-Marie-Madeleine in Vézelay


Vézelay ist ein weit über Frankreich hinaus bekannter Wallfahrtsort und einer der Ausgangspunkte des Jakobswegs (Via Lemovicensis); der Ort ist als eines der schönsten Dörfer Frankreichs (Plus beaux villages de France) klassifiziert.

Die Abtei von Vézelay war ein wichtiges Zentrum der Christenheit. Sie war nicht nur Ziel einer blühenden Wallfahrt zum angeblichen Grab der Maria Magdalena, das man ab der Mitte des 12. Jahrhunderts hier verortete, sondern auch Ausgangspunkt von einer der vier wichtigsten Pilgerstraßen nach Santiago de Compostela. Die Stiftungen der Pilger sorgten für einen stetigen Fluss von Geld in die Kassen der Abtei, während die politische Unabhängigkeit von lokalen Autoritäten ihre lokale Machtstellung sicherte. Die Relevanz der Abtei lässt sich daran ablesen, dass sie als Schauplatz zahlreicher Ereignisse von welthistorischer Bedeutung diente: 1146 etwa wurde in Vézelay der zweite Kreuzzug ausgerufen.



Die Kirche Sainte Marie-Madeleine ist eine dreischiffige Basilika mit sehr lang gezogenem Langhaus, einem kaum auskragenden Querhaus und einem Umgangschor mit Kranzkapellen. Das 1120–1140 errichtete Langhaus zeigt rein romanische Formen. Die von 1145 bis 1260 (Südwestturm) gestaltete Westfassade befindet sich im Übergang von der Romanik zu Gotik. Der von 1185 bis 1215 geschaffene Chor ist frühgotisch mit leichten romanischen Reminiszenzen.

 



Die heutige Basilika Sainte-Marie-Madeleine ist nicht die erste Kirche an diesem Ort, zuvor stand hier eine karolingische Kirche. Abt Artaud ersetzte den karolingischen Chor durch einen romanischen, er wurde 1104 geweiht. Im Jahre 1120 wurde das karolingische Kirchenschiff durch einen Brand beschädigt. Daraufhin begann man mit der Errichtung des heutigen Hauptschiffs und seiner Fassade mit den drei figürlich gestalteten Portalen. Spätestens gegen 1140 waren die Arbeiten am Schiff und der Fassade beendet. Anschließend folgte die Vorhalle, der sog. Narthex, mit einer eigenen Fassade nach außen hin.

Nach erneutem Brand wurden 1185–1215 der Chor und das Querschiff in bereits frühgotischem Stil errichtet. Noch später (1260) folgten der Südwestturm (St. Michel) mit einer 15 m hohen hölzernen Spitze und die hochgotische Westfassade. Der Nordturm wurde nicht weiter aufgebaut. 1819 brannte die Turmspitze ab. Viollet-le-Duc restaurierte die stark baufällige Kirche ab 1840. Unter seiner Leitung wurde u. a. das äußere Westportal, das wahrscheinlich das Weltgericht mit einer Majestas Domini zeigte und in der französischen Revolution fast vollständig zerstört worden war, durch eine Neuschöpfung ersetzt.

Die Kapitelle von Vézelay stammen aus der Zeit zwischen 1120 und 1140. Von den 99 Kapitellen im Kirchenschiff sind nur wenige im 19. Jahrhundert durch Kopien der Originale ersetzt worden. Leitthemen der Kapitelle von Vézelay sind die Darstellungen des Guten und des Bösen in vielfältigen Beispielen.


Das berühmteste Kapitell in Vézelay ist Die mystische Mühle. Ein Mann im kurzen Gewand mit Schuhen an den Füßen schüttet Korn in eine Mühle, während ein barfüßiger anderer, bekleidet mit einer weißen Toga, das Mehl auffängt. In der ersten Gestalt muss man Moses sehen; im Korn, das er in die Mühle schüttet, das Gesetz des Alten Testamentes, das er von Gott am Berg Sinai erhalten hat. In der Mühle, die das Korn mahlt, wird symbolisch Christus dargestellt (das Rad ist mit einem Kreuz bezeichnet). In dem Menschen, der das Korn auffängt, wird der Apostel Paulus gezeigt, und im Mehl selbst das Gesetz des Neuen Bundes, die neue Gerechtigkeit. Das Gesetz des Moses enthielt zwar die Wahrheit, aber es war eine verborgene Wahrheit, so verborgen wie das Mehl im Korn. Erst durch das Opfer Christi am Kreuz ist es in dieses Mehl verwandelt worden, das man in sich aufnehmen kann, indem man es zu Brot weiterverarbeitet: und das ist das neue Gesetz des Evangeliums Jesu Christi, das der hl. Paulus durch Gottes Auftrag annahm, um es weiter zu verbreiten.