Der Fuhrmann und sein Weib fahren im Mai 2016 wieder von Ammerfeld in Bayern bis nach Frankreich, zu dem Städtchen Vauchamps in der Nähe von Montmirail. "Mühsal und Entbehrung nehmen wir auf uns, um die Westfälische Landwehr auf ihrer Campagne gegen Napoleon zu unterstützen."

Vauchamps liegt eingebettet inmitten der sanften Hügel der Champagne. Strahlend gelb präsentieren sich die ausgedehnten Rapsfelder jetzt Anfang Mai, die leuchtenden Farben sind eine wahre Orgie für unsere Augen. Die "Husaren von Lasalle" aus Montmirail haben die Veranstaltung organisiert und das in Privatbesitz befindliche kleine Chateau am Ortsrand von Vauchamps bietet auf seinem Grundstück einen behaglichen Raum für ein nettes kleines Feldlager.

Auch wenn die Temperaturen tagsüber frühlingshaft sind, so sind doch die Nächte noch bitter kalt, die Temperaturen sinken bis fast auf den Gefrierpunkt. Dick vermummt gruppieren sich jene Wehrmänner, die kein eigenes Zelt besitzen, um das Kochfeuer. Nur zögerlich kriechen die Männer aus den warmen Wolldecken für ihre gemütliche Morgentoilette und ein bedächtiges Gespräch unter Kameraden.

Ganz anders die nebenan lagernden badischen Jäger. Die Ärmsten werden mit Hornsignal und barschem Ton aus den Federn gescheucht. Ihr Befehlshaber Maucher hat sichtlich Spaß daran, seine Männer schon vor dem Kaffee strammstehen zu lassen und die zackigen Burschen sodann mit ausschweifenden  Lesungen erbaulicher Texte zu erfreuen.

Bei den Westfalen hält man sich eher an das Sprichwort "In der Ruhe liegt die Kraft". Nach einem heißen starken Kaffee und einer angemessenen Pfanne voller Rühreier mit Speck wird erst einmal in aller Sorgfalt Schwarzpulver abgemessen und in Papierhüllen gefüllt, also Munition vorbereitet.

Gegen Mittag, nach der Offiziersbesprechung, zieht die Westfälische Landwehr los, um ein wenig zu exerzieren. Auch der Fuhrmann kann bei dieser günstigen Gelegenheit mit den Soldaten mitmarschieren und seine neu erworbene Waffe ausprobieren. "Mein Weib hat das Tromblon auf den Namen WEPS getauft, denn es soll übel zustechen, wenn einer böse Absichten wider uns hegt". Die Landwehrmänner üben den Umgang mit ihren Musketen. Auch Karrengaul Rufus muß sich nach der langen Winterpause erst wieder an die Detonationen der Schußwaffen gewöhnen.

Die Soldaten erhalten täglich ihre Essensrationen. Zumeist bilden sich Zweiergrüppchen, die die von Feldwebel Pott ausgeteilten Lebensmittel gemeinsam in einem Armee-Kochgeschirr zubereiten. Die Fuhrleute haben auf ihrem Karren einen Kessel und eine Pfanne transportiert, mit diesen Utensilien können sogar mehrere Leute eine größere Portion kochen. Die gemeinsame Essensvorbereitung fördert die Kameradschaft. Es ergeben sich die tiefsinnigsten Gespräche, wenn sich die Wehrmänner ums Kochfeuer drängen und in ihren kleinen Töpfen rühren. Ein Duft nach Bohnen und Speck weht durchs Lager und das Lachen der Westfalen erklingt fröhlich durch die Zeltreihen.

Trotz aller heimeligen Idylle dürfen wir nicht vergessen, daß hier Soldaten lagern, deren Handwerk der Krieg ist. Als die preußischen und alliierten Truppen aufmarschieren, um ins Feld zu ziehen, müssen auch die Westfalen ihren Mann stehen. Sogar der Fuhrmann begleitet sie mit dem Fourragewagen und hofft inständig, nicht ins Kampfgeschehen verwickelt zu werden. Seine Gattin hockt hinten im Karren, ihre Hand umfaßt eine Medaille mit der Muttergottes und sie betet leise und ängstlich.

Mit einem Mal kommt der Maucher daher, der Kommandant der badischen Jäger, und tönt frech: "Ich sollte die alte Vettel da hinten runterschmeissen, das Fuhrwerk requirieren und am Abend den Gaul schlachten und grillen lassen." Der Fuhrmann erbleicht vor Schreck. Sodann besinnt er sich aber auf sein Tromblon. Ganz beiläufig zieht er die Weps aus ihrer Halterung am Kutschbock und richtet die Waffe auf den badischen Offizier: "Bitte, WAS möchte der Herr?" Der Maucher kriegt Augen so groß wie die Mündung des Tromblons und er überlegt es sich doch anders. Er hat die Fuhrleute fürderhin nimmer belästigt.

In der Ferne bemerken die Soldaten ein Trüppchen französicher Reiter, die sich parallel vorbewegen. Bei Erreichen eines Wäldchens versucht der preußische Kommandierende, einen Hinterhalt zu legen. Der Karren mit den Fuhrleuten und eine Hand voll weiterer Zivilisten - Frauen und Kinder - suchen das Weite und verharren auf einem Sturzacker neben einem hoch bewachsenen Feld. Die gegnerischen Reiter passieren das kleine Fuhrwerk, aber sie beachten es nicht. Ehe man sich versieht ist ein garstiges Gefecht im Gange und es schaut nicht gut aus für die alliierten Truppen. Als sich unsere Truppen zurückziehen, bringt der Fuhrmann die Zivilisten in Sicherheit. Beinahe wird er von den Franzosen verhaftet, als diese unvermittelt aus dem Wäldchen brechen und auf das Feld stürmen. Im wilden Galopp jagt der Karren den Truppen hinterher und kann sie gottlob einholen.

Am späten Nachmittag erreichen wir Montmirail, wo es erneut zu einem Gefecht mit den Franzosen kommt. Bei einem gewagten Wendemanöver mit dem Wagen bricht eine der Anzen des Karrens!

Wagen und Ladung sind verloren, wir spannen schleunigst unseren Gaul aus und schlagen uns mit ein paar Verwundeten nach Vauchamps durch, wo sich die Truppen wieder sammeln. Wie durch ein Wunder sind alle Westfalen unversehrt, bis auf ein paar kleinere und ungefährliche Blessuren.

Zum Nachtmahl werden alle Teilnehmer der Veranstaltung von den Einwohnern von Vauchamps zum Essen eingeladen. Es wird gleich zum Einklang eine leckere Champagner-Bowle kredenzt. Wir laben uns an fein gewürzten Fleischbällchen und dicken grünen Bohnen, dazu reichen die Vauchamper pro Mann (oder Frau) ein knuspriges Stück Baguette, ein Stück würzigen Brie und einen knackigen Apfel. Karaffen stehen auf den Tischen mit Wasser und einem süffigen Rotwein. Freund und Feind sitzen hier gemeinsam an einer Tafel. Es kommt zu einem Gefecht der besonderen Art - Franzosen und Preußen singen um die Wette, Abwechselnd ertönen schmissige Lieder, deren Text den jeweils anderen nicht besonders gut aussehen läßt. Egal - wir singen beim Feind mit, ebenso wie die Franzosen bei uns (sie kennen sogar die deutschen Texte!) und alle amüsieren sich köstlich.

Unsere Hündin Maja sitzt mit unterm Tisch und robbt durch die Reihen von Freund und Feind, um ein paar Fleischbällchen abzustauben. Nachdem die Teller leer sind, holt Bert Rufus aus seiner kleinen Koppel und ganz Vauchamps bewundert den Bier saufenden Gaul "le cheval alcoolo"... Dabei bekommt Rufus eigentlich gar nicht so viel ab, denn das meiste geht doch daneben. Trotzdem: alleine im Lager zurückbleiben, das gefällt ihm gar nicht. Er hat uns lautstark hinterher gewiehert und stand dann ganz friedlich auf der Straße vor dem Festzelt, nachdem er nachgeholt wurde.

 

Der Fourragewagen ist nicht mehr zu reparieren, zumindest nicht im Feld ohne Werkzeug und auf die Schnelle. Der Fuhrmann möchte den Westfalen weiterhin zu Diensten sein und schwingt sich auf den Rücken des Kutschgauls. So kann er vielleicht als Meldereiter von Nutzen sein. Seine Gattin bleibt in Vauchamps und darf Gott des Abends danken für die sichere Rückkehr des Gemahls und der restlichen Landwehr.

Nach den Strapazen der Schlacht ruhen sich die Soldaten in Vauchamps im Lager aus. Die Schußwaffen müssen sorgfältig gereinigt werden. Ein wenig merkt man den Männern die Erleichterung an, die Gefechte des heutigen Tages mehr schlecht als recht überstanden zu haben. Es wird übermütig gelacht, viel getrunken, Karten gespielt...

Bis spät in die Nacht sitzen die erschöpften Männer am Feuer und lassen den Tag Revue passieren. Es wird beim Schein einer einzelnen Kerze gekartelt, in Erinnerungen geschwelgt, von der Heimat erzählt, vielleicht von der fernen Liebsten geträumt.

 

Auf einer ausgedehnten Wiese mit ein paar Baumgrüppchen direkt hinter dem Chateau findet am Samstag noch einmal eine abschliessende "Bataille" statt. Wir sitzen gemütlich im hohen Gras und betrachten den Vorgang einfach als Zuschauer, ohne in das Geschehen eingebunden zu sein (Film 1 / Film 2). So können wir unseren Karrengaul noch besser an den Gefechtslärm gewöhnen. Als aber gegen Ende der Schlacht ein Verwundeter der KGL (Kings German Legion) um Hilfe ruft, eilt der Fuhrmann herbei. Der verletzte Soldat wird bäuchlings über das Pferd geworfen und der Fuhrmann rennt vom Schlachtfeld, neben sich das trabende Pferd.

Der Aufmarsch aller Beteiligten vor dem Chateau, wo der Schloßbesitzer und die Bürgermeisterin von Vauchamps die Parade abnehmen, beendet den offiziellen Teil der Veranstaltung, die noch mit einem letzten gemütlichen Abend am Feuer ausklingt.

 

Zum Ausklang noch eine Hand voll Portraits: