Als Resonanz auf unsere Homepage erhielten wir im Februar 2011 eine Nachricht von Herrn Franz Zabl mit detaillierten Informationen zur jüngeren Geschichte unseres Anwesens, insbesondere zur Ankunft der aus Süd-Mähren stammenden Familie Zabl in Ammerfeld im Mai 1946 und zu ihrem 48 Jahre währenden Aufenthalt auf dem Schmarhof. Ein zu Herzen gehendes Stück Zeitgeschichte...

 

Zitat aus "Sudetendeutsche Zeitung" vom 20.02.1998:

Mit vielen anderen aus Untertannowitz / Kreis Nikolsburg in Südmähren wurden wir am 20. Mai 1946 (meine Mutter 32, meine Schwester 10, ich 4 1/2 Jahre alt) abtransportiert in Viehwaggons der tschech. Eisenbahn in Richtung Brünn. Weiterfahrt über Pilsen, Eisenstein, Augsburg. Hier wurden wir umgeladen und ins Lager nach Haunstetten einquartiert. Von dort wiederum verfrachtet ins Lager Monheim im Landkreis Donauwörth. Am 01. Juni 1946 wurden wir auf einen offenen Lastwagen verladen und in das kleine Juradorf Ammerfeld, Lkr. Donauwörth gebracht. Mein Vater war zu diesem Zeitpunkt aus russischer Gefangenschaft krank entlassen und über einen kurzen Aufenthalt in Thüringen auf der Suche zu uns nach Bayern. Welches Elend und Leid diese Tage der sogenannten "humanen Ausweisung" wie auch ein ganzes Jahr zuvor noch in der Heimat unter tschechischer Herrschaft brachten, braucht nicht erwähnt zu werden, denn Millionen von Menschen haben ja das gleiche Schicksal erleben müssen.

Mit dem LKW in Ammerfeld an der Kirche angekommen, wurden wir alle vom Bürgermeister und dem "Flüchtlingskommissar" in die verschiedenen Häuser aufgeteilt. Für uns Drei war ein Zimmer oberhalb einer Wagnerwerkstatt vorgesehen. Doch dieser Wagnermeister drohte uns mit Erschlagen, wenn wir "Zigeuner" sein Haus betreten würden. Weinend und total am Ende ihrer Kräfte stand nun die Mutter da, ich weiß nicht mehr wie lange, bis plötzlich der Flüchtlingskommissar auftauchte und uns aufforderte, mit ihm zurück auf den Kirchplatz zu gehen. Zwischenzeitlich waren die meisten unserer Leidensgenossen in den umliegenden Bauernhöfen untergebracht. Ein einheimischer Mann stand noch da und meinte, eine alleinstehende Frau könne er in einem neun Quadratmeter großen Zimmer unterbringen, wenn sie ihm in seiner kleinen Landwirtschaft etwas mithelfe. Diese alleinstehende Frau gab's, bloß hatte sie halt noch zwei Kinder bei sich. "Dieses Mädchen würde grad noch gehen, aber der Bub verzieht mir mein ganzes Werkzeug". Das waren die Worte dieses Bauern. Auf Zureden des Bürgermeisters sagte dann dieser Mann "in Gottes Namen - dann geht's halt mit". Zwischenzeitlich war es nachmittags drei Uhr geworden. Im Haus des Bauern angekommen, bat uns seine von Mitleid gerührte Frau an den Tisch in der Stube und stellte uns Dreien je einen Teller warme Suppe vor. Unsere Mutter konnte nur noch weinen vor Rührung. Dieses Bauernehepaar war 57 und 55 Jahre alt und kinderlos. Das für uns vorgesehene Zimmer war sehr spärlich mit einem Bett ausgestattet. Da stellte dann die Mutter unsere von ihr selbst zusammengenagelte Kiste vors Fenster und sagte zu uns Kindern: "Jetzt sind wir reich - wir haben ein Bett und einen Tisch". Dann weinte sie wieder bitterlich vor sich hin. Und so vergingen die nächste Tage und Wochen. Die Mutter arbeitete in der Landwirtschaft mit und wir bekamen zu essen.

In dieser Zeit kam öfters ein Hausierer (Hamsterer) ins Haus. Da tauschte unser Hausherr für ein Pfund Butter eine kleine Sense ein. Mit derselben ging er zu dem genannten Wagnermeister und ließ einen Sensenwurf (Stiel) für einen kleinen Buben anfertigen. Von nun an gingen wir beide, unser Hausherr und ich, öfters zusammen zum Klee- und Grasmähen. Die Abneigung gegen diesen kleinen Buben war in eine liebende Zuneigung umgewandelt.

Unser Vater war neun Wochen nach uns auch in Ammerfeld eingetroffen. Wir waren glücklich vereint und fern der Heimat in einem kleinen Zimmer. Meine Schwester bekam dann wegen Platzmangel eine Schlafstelle auf dem Dachboden, wo auch ich später untergebracht wurde. Im Winter wehte des öfteren der Schnee auf die Bettdecke. Ich verlebte in diesem Haus eine sehr schöne Kindheit. Nicht selten schlief ich am Abend auf der Wohnzimmercouch unserer Hausleute ein, wo mich dann unsere Hausfrau nach oben ins Bett brachte.

Nach sieben Jahren unseres Aufenthaltes in Ammerfeld hatte mein Vater in einem 20 Kilometer entfernten Ort einen Pachtvertrag für einen landwirtschaftlichen Betrieb unterzeichnet. So verließen wir unser liebgewonnenes Ammerfeld unter beidseitiger Tränen. Dieser Entschluß war für uns, wie auch für unsere Hausleute, zu überraschend. Mit viel Schweiß begannen wir in dieser neuen Fremde, einem sehr alten, heruntergewirtschafteten Anwesen, unser wieder halbwegs einzurichten. Viele Hürden mußten bewältigt werden. Bereits ein Jahr danach bat mich unsere ehemalige Hausfrau, doch wenigstens wieder auf ein halbes Jahr nach Ammerfeld zu kommen um ihr in der Landwirtschaft zu helfen. Ihr Mann lag schwer erkrankt im 20 Kilometer entfernten Krankenhaus. Diesem Wunsch folgte ich natürlich mit freudigem Herzen.

Die öffentliche Verbindung zum Krankenhaus war nur einmal wöchentlich. So besuchte die Frau ihren Mann jeden Mittwoch. Sonntags stoppte ich (15-jährig) immer auf der Landstraße und besuchte ebenfalls unseren Kranken. Die Freude war immer unbeschreiblich. Ein Jahr darauf erlag unser Hausherr seiner schweren Krankheit. Am Sterbebett bat er seine Frau, sie möge meinen Vater bitten, daß wir wieder nach Ammerfeld zurückkommen und seine Landwirtschaft übernehmen. So hätte er doch die Gewißheit, daß seine Frau in unserer Mitte einen gesicherten Lebensabend verbringen könnte. Wir folgten dieser Bitte, übernahmen dieses Anwesen und unsere Hausfrau erlebte noch schöne Jahre als meine Oma. Als dann nach Jahren auch meine Eltern das Zeitliche segneten, fanden sie ihre letzte Ruhestätte auch im Grab unserer Hausleute. Auf dem Grabstein sind außer meinen Eltern auch unsere Wohltäter schriftlich verewigt.

Nun wird sicherlich jeder Leser dieser Zeilen verstehen, daß mir an diesem Grab immer sehr schwer ums Herz wird. So viel Liebe erfährt nicht jeder von fremden Menschen.

Franz Zabl, Ammerfeld

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