Ich hatte einmal einen kleinen Apfelbaum.

Gekauft habe ich ihn vor vielen, vielen Jahren – damals, als ich noch in der Großstadt lebte. Ich kaufte damals voller Begeisterung das allergrößte Pflanzgefäß, das ich finden konnte, und das Bäumchen zog in München im 6. Stock auf der Dachterrasse ein. Ein paar Jahre gedieh er dort prächtig und ich war sehr stolz auf meine kleine Apfelernte.

Dann aber stieß das Apfelbäumchen irgendwann mit seinen kräftigen Wurzeln überall am Topfrand an und konnte sich nicht weiter entfalten. Von diesem Zeitpunkt an wurde er immer mickriger und unansehnlicher. Ich fühlte mich dem Äpfelchen verbunden, denn auch ich bin ein Gewächs, das in der Großstadt nicht besonders gut gedeiht. Uns fehlte die Erde unter den Füßen, uns allen beiden.

Als ich nach Ammerfeld zog, schickte ich zwei kräftige Möbelpacker aus und sie holten mein Bäumchen in seinem riesigen Topf aus München hier her. Ich lief einige Zeit auf dem Grundstück umher, bis ich den besten Platz fand: ein sonnenverwöhntes Fleckchen, an dem der Apfel sein neues Zuhause finden sollte. Es wurde ein großes Pflanzloch ausgehoben, der Baum schön gerade eingesetzt, mit guter Erde aufgefüllt und liebevoll mit einem schützenden Steinmäuerchen umrandet.

Das Münchner Apfelbäumchen entwickelte sich prächtig. Sein kräftiger, immerhin gut 20 Jahre alter Stamm streckte frische Äste aus in alle Richtungen. Der Baum war irgendwie ein Sinnbild meiner selbst: wir beide wollten in Ammerfeld Wurzeln schlagen.

In der eiskalten Nacht vom 4. auf den 5. Februar 2012 fiel mein Apfelbaum einem dummen, sinnlosen Attentat zum Opfer. Feiernde Jugendliche sind in unseren Vorgarten eingedrungen und haben das Bäumchen im Suff einfach abgesägt. Einfach so.

Ohne Grund. Ohne Hirn. Ohne Gewissen.

Auch unser Nachbar verlor in dieser Nacht einen Zwetschgenbaum. In Rennertshofen hat es vor knapp drei Jahren in der Freinacht vor dem 1. Mai 2009 schon einmal einen ähnlichen Fall von Vandalismus gegeben, bei dem ein Alleebäumchen gefällt worden war.

Einen Dieb kann ich noch verstehen – er schadet anderen, um selbst einen Vorteil zu erlangen. Aber solch ein sinnloser Vandalismus ist mir völlig unverständlich. Wie kann man ein Lebewesen zerstören, einfach nur um des Zerstörens willen?

Ja, der Alkohol, werdet ihr sagen, der Bursche war halt besoffen und wußte nicht, was er tat.

Ja... und? Entschuldigt ihn das etwa? Und was heißt überhaupt „wußte nicht, was er tat“? Der Alkohol mag ja enthemmend wirken, aber die Natur der Dinge, die dann im Rausch ungehemmt ausgelebt werden, sind im Charakter der Person begründet. Wenn ich mal einen in der Krone habe – jawoll, das kommt auch vor – dann rede ich zu viel und lache zu laut – aber ich schneide keine Bäume um...

Es ist ja nur ein dummer Jungenstreich, es ist ja kein hoher finanzieller Verlust. Wer weint schon um einen Apfelbaum...

Nun: ich habe um meinen Apfelbaum geweint.

 


Nachtrag vom 29. Februar 2012:

Der reuige Übeltäter hat sich gemeldet.

Er hat ein äußerst schlechtes Gewissen und ist bereit, einen neuen Obstbaum zu kaufen und einzupflanzen.

Ich freue mich, daß er den Mut hatte, von selbst auf uns zuzukommen.