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5 Der Entschluß zur Kreuzfahrt

Fünftes Kapitel

Der Entschluß zur Kreuzfahrt

Der Graf stand wie versteinert vor dem Mönche, der im erheuchelten Schrecken das Zauberblatt aus den zitternden Händen fallen ließ. "Allgerechter Gott," rief er endlich und verbarg sein Angesicht in dem faltenreichen Purpurmantel; "ist es möglich, daß die Schande meines Hauses mir verborgen blieb? Beim heiligen Berg Andechs, wer es wagt, der Markgräfin von Österreich anders als in tiefster Ehrfurcht zu nahen, muß des Todes sein. Und mein eigener, liebster Knappe soll sich soweit vergessen haben? Es ist nicht möglich! Bei allen Heiligen, es kann und darf nicht sein!"

Aber der Keim der Eifersucht hatte in des Grafen Brust schon Platz genammen. Der Wurm des Argwohns nagte an seinem Herzen. "Und doch," fuhr er fort im stummen Dahinbrüten, das den Ausbruch eines furchtbaren Sturmes ahnen ließ; "und doch mag es sein! Ja, ich darf nicht mehr zweifeln! Damals, als der Bube auf dem Krankenbette schmachtete, da Ludmilla ihr weiches Mitgefühl an den Undankbaren vergeudete, und sogar das Wunderweib vom Eichbühl aus dem Mindeltale rufen ließ, daß die Heilkräuter derselben ihn neu beleben sollten - damals hat der Schändliche sich erkühnt, in dem Benehmen der edlen Burgfrau etwas anderes als Mitleid zu finden; und der Stolz auf seine Schönheit und Körperkraft raunte dem falschen Schänder meines Hauses in die Ohren, er dürfe sich wohl messen mit dem Grafen von Schwabeck und Balzhausen. Aber, bei Gott, ich führe mein deutsches Schwert noch ebenso gut, wie am Tage, da ich in Straßburg den ersten Preis gewann. Mönchlein, nennt mich einen feigen Narren, wenn ich mich nicht zu rächen weiß, wie es das alte Geschlecht meiner Ahnen und das kommende meiner Enkel verdient. Ich eile zu Ludmilla. Ich will Ihr sagen, an welch Schändlichen sie ihr Mitleid vergeudet. Und zu ihren Füßen soll der Nichtswürdige sein elendes Leben aushauchen." Bei diesen Worten rannte der Graf hinweg und hörte nicht auf die Bitten des Mönches, der ihn zurückrufen wollte. Oben an der Wendeltreppe aber hielt er plötzlich inne; denn seine Füße trugen ihn nicht weiter. Er sah den Knappen Kuno aus dem Gemach der Markgräfin von Österreich kommen.. Schon legte er die Faust an das Schwert; aber er erdrückte den wilden Zorn und mit verstellter Freundlichkeit fragte er den Liebling: "Woher und wo hinaus führt dich der Weg, Kuno?" - Dieser aber verneigte sich vor dem Grafen und erwiderte: "Die edle Burgfrau sendet mich mit dieser Flasche stärkenden Weines zu dem kranken Meier von Mickhausen. - Habt Ihr noch eher ein Geschäft für mich, so befehlet nur!"

"Magst mir den Rappen vorerst satteln," sprach der Graf; "ich will zur Jagd hinaus. Dann aber geh in die Stube vor dem Tore und nimm die Morgensuppe, die dort für dich bereit steht. Armer Junge, bist ja noch nüchtern." Hierauf eilte Wernher blaß und zitternd die Wendeltreppe herab ins Freie, der Torstube zu, um dem Schwarzkünstler Matthä einen geheimen Auftrag zu erteilen. Der Knappe aber sprang in den Stall, den Dienst des Grafen so schnell, wie er es immer gewohnt war, zu verrichten. Und als der Burgherr mit verstörtem Sinne das Jagdroß bestieg und davonjagte, wünschte ihm Kuno gar ehrerbietig Weidmanns Heil und ging darauf, ohne was Arges zu ahnen, in die Torwartstube, um das Frühstück zu genießen, wie es des Herrn Wille von ihm verlangte. Gegen Abend kam der Burggraf von der Jagd zurück und das Geschrei der Knappen tönte jämmerlich in seine Ohren: "Kuno liegt tot in der Wartstube vor dem großen Tore!" - Finster trat Wernher vor die Leiche, wo er die Damen des Schlosses, den Mönch und den Ritter Siegmund traf. Die ersteren waren sehr ergriffen; Siegmund aber und der verkappte Fischveit standen in gemessener Ferne, lauernd wie der Graf bei dem Anblicke des Opfers seines Zornes sich verhalte. Dieser aber, blaß und verstört, trat zu Ludmilla und indem er auf die Leiche des Knappen deutete, sprach er langsam und in verzweiflungsvoller Ruhe; "Es ist das Werk meiner gerechten Rache, Frau Markgräfin von Österreich! So vergilt Wernher von Schwabeck einem jeden, der sich erfrecht, sein Weib, das edelste Kleinod seines Lebens, anzutasten. Kuno, dem ich mein ganzes Vertrauen geschenkt, hat sich an mir so schwer versündigt, ob mit Eurer Einwilligung, mit Eurem Mitwissen oder nicht, Frau Gräfin, das weiß der Allwissende. Ich aber wollte den Unfug nicht mehr länger dulden; und Matthä von Augsburg mußte dem Knäpplein die Morgensuppe so scharf würzen, daß er von dieser Betäubung nicht mehr erwachen wird." "Wernher! Was habt Ihr getan?" rief Ludmilla totenblaß. "So wahr Gott im Himmel lebt, es ist kein unreines Wort über die Lippen dieses Knappen gekommen! Er ist so rein wie ein Heiliger! Ihr habt Euch betören lassen von dem häßlichen Zauber, von einem schändlichen Argwohn und seid der Mörder eines Unschuldigen geworden." Hierbei konnte sich Gräfin Ludmilla nicht mehr halten; sie sank ohnmächtig in die Arme der Schwester Gisela, die wehmütig auf den von schrecklichen Zweifeln gedrückten Bruder, dann weinend auf den entseelten Knappen niedersah. Der Mönch im Hintergrunde begann soeben in tiefer Stimme mit dem Bußlied "Miserere" da flog durch das halbgeöffnete Fenster die Elster des Schwarzkünstlers in die Stube, legte ein weißes Ei auf die Stelle des Leichnams, wo einst das Herz geschlagen, pickte die Schale auf und brachte dem Grafen ein Papier, aus dem der Mönch, der sogleich herbeigeeilt war, die Worte las: "Ihr seid getäuscht, Herr Wernher! Der böse Feind hat das schwarze Ei Euch zugeschickt, um Euch zu verführen! Weh, wenn diese Warnung zu spät kommt! Die Leiche des Knappen,, den Ihr unschuldig ermordet, wird um Rache schreien zum gerechten Richter der Toten und Lebendigen; und das Unglück wird hereinbrechen über Euer gräflich Haus."

Wie vor wenigen Stunden erst der Argwohn des Grafen Herz betörte, ebenso ward es jetzt erschüttert von Reue und Schmerz; und er schrie in furchtbarer Gewissensangst nach dem Meister Dampf, ob nicht vielleicht durch ein schnelles Gegengift der Knappe wieder könnte zum Leben gebracht werden. Matthä kam und gab den Bescheid, es rühre sich noch ein schwacher Puls in den Adern des Vergifteten - allein er dürfe mit Fug versichern, daß jedes Gegenmittel vergeblich sei.

"Oh, versuche was du kannst!" rief der Graf, "ich verspreche dir reichlichen Lohn. Ja, ich will dir auf dem Wartturme von Schwabeck eine Stube einrichten, daß du ungestört zu den Sternen gucken und, dem Auge eines jeden Nachstellers verborgen, dem Forschen in den Geheimnissen deiner Kunst obliegen kannst!" Da rief der Mönch voll Ermunterung dem Grafen zu:

"Herr, gelobet in diesem Augenblicke, das Kreuz zu nehmen und zum heiligen Kampfe ins Morgenland zu ziehen, wenn Kuno wieder lebe! Säumet nicht! Gott ist barmherzig! Er wird Euer Gelübde annehmen in Gnaden und unser Gebet erhören! Pater noster!" Mittlerweile hatte sich Gräfin Ludmilla wieder erholt. Und da sie die Worte des Mönches hörte, ermahnte sie selbst den Gemahl, indem sie sprach: "Was mich gestern mit Schmerz und Trauer erfüllte, dazu ermuntere ich Euch jetzt, mein liebwerter Herr und Gemahl! Eure schnelle, voreilige Tat, die Ihr bereuen werdet, bedarf der Sühnung! Zieht in Gottes Namen nach Palästina !"

Einige Minuten lang stand der Graf unentschlossen. Endlich erhob er die Rechte und rief: "Ich gelobe die Annahme des roten Kreuzes!"

Währenddem hatte Matthä Dampf schon ein Tränklein bereitet und es, so gut es sich machen ließ, dem betäubten Knappen zwischen die blassen Lippen eingegossen. "Nun bedarf er der Ruhe," sagte der Künstler und wies den Anwesenden die Tür, "auch müßte es den Jungen befremden, beim Erwachen all diese Gesichter hier zu sehen. Er soll aber nicht erfahren, was mit ihm binnen weniger Stunden vorgefallen, auf daß das Vertrauen zu seinem Herrn nicht Schaden leide. Morgen aber, Graf Wernher von Schwabeck, will ich Euch, so es Gott fügt durch die Fürbitten unserer Lieben Frau, den Knappen gesund entgegenführen." Matthä Dampf hatte Wort gehalten. Der Graf atmete wieder frei und froh, als er seinen treuesten Knappen aufs neue herzlich grüßen konnte. "Kuno," sagte er, "ich habe die Wallfahrt ins Gelobte Land versprochen. Nach Verlauf von wenigen Tagen ziehen wir von dannen. Du sollst auch im fernen Lande mein guter Leibknappe sein. Und beim heiligen Grabe, vor dem wir unsere Andacht zu verrichten gedenken, ich will dein Leben schützen, wie du das meine." Kuno fühlte sich nicht wenig geehrt durch das Vertrauen seines Herrn und machte in jugendlicher Munterkeit die besten Anstalten zur baldigen Abreise.

Die Kreuzfahrer aber und an ihrer Spitze Peter von Jenkendorf, schmausten und tobten im Schloßhofe viel toller noch und ärger als zuvor und fügten unter Wein und Minne dem Kreuzfahrerlied hinzu:

"Graf Wernher, der Held vom Schwabenland, führt uns an ritterlicher Hand selbst eigen ins Gelobte Land!"

Und des Schmausens und Brausens war kein Ende im Burghofe, bis endlich die bestimmte Stunde des Abzuges zu schlagen begann.

Im ritterlichen Ahnensaale von Schwabeck aber sah es ganz still, wehmütig und traurig aus. Die zarte Ludmilla weinte in den Armen des Burgherrn, der in seiner blaustählernen Rüstung vor sie getreten war, um Abschied zu nehmen. "Edler Herr und Gemahl, Gott woll Euch beschützen!" sprach sie in heiliger Rührung und holte zugleich das Söhnlein herbei, daß es den Segen des Vaters erhalte. Ulrich aber erklomm Wernhers Schoß, streichelte seine Wangen und suchte durch allerlei Gebärden der kindlichen Anhänglichkeit den ernsten Grafen zu ermuntern. Da lächelte selbst Ludmilla und flüsterte: "Nicht wahr, Büblein, wenn du den großen Rappen tummeln kannst, willst du einmal auch so hinaus ins Weite?" Und der Knabe nickte gar freundlich den Worten der Mutter Beifall zu. - Wernher mußte lächeln über dessen Einfalt, küßte wohl ein dutzend mal die Stirn, den Mund und die Wange des herzlichen Söhnleins und sagte zur Gattin:

"Schreib mir den Tag auf, Ludmilla, wann der Knabe den ersten Eber erlegt in unseren Wäldern von Bärenbach."

Jetzt nahm Ludmilla eine Schärpe aus dem nahen Schranke. "Wernher, kennt Ihr noch dieses Zeichen unserer Liebe? Auf dem Turniere zu Prag, wo ich Euch zum erstenmal sah und Ihr den höchsten Preis errungen.