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Nach ein paar Tropfen Regen in der Früh wird der Zug am Dienstag nach den Erfahrungen des Vortages neu zusammengestellt. Während Uwes sächsische Kaltblüter auf einen schnellen Schritt auch unter Last gezüchtet und trainiert sind, lassen es Ludwigs Noriker eher langsamer angehen – besonders auf die ältere Bella müssen wir Rücksicht nehmen. Daher gehen der Küchenkarren und die Packpferde mit dem Treckführer voraus, gefolgt von Ludwig mit dem langsamen Fuhrwerk und begleitet vom Gros der Fußgänger.

Uwe und Stefan bleiben mit Planwagen und Landauer zurück und warten eine Viertelstunde ab, bevor sie folgen. An vorher bestimmten Punkten wird gewartet, eine Erholungspause eingelegt, und der Zug sammelt sich wieder. Auf diese Weise gehen wir von Rastpunkt zu Rastpunkt, Mensch und Tier können das jeweils angemessene Tempo marschieren.

Ich führe die 24-jährige Gilette, kann sie kaum zurückhalten auf das langsame Marschtempo. Die Stute ist so munter und frisch, daß ich guten Gewissens aufsteige und für den Rest des Marsches reite.

Bei unserem Rastpunkt in Untertheresienreut baut der Herr Ingenieurgeograph seine Nivellierungs-Boussole auf und führt eine wissenschaftliche Messung durch. Neugierig belagern uns die Bewohner des Ortes und bestaunen das Gerät.

Es lebt hier in dieser abgelegenen Gegend offenbar ein äußerst freundlicher und aufgeschlossener Menschenschlag.

Aus dem Journal der Holprigerin:

"Wir kamen durch eine Ortschaft, in der unser bunter Zug wieder viel Aufsehen erregte. Auch hier erhielten wir einen freundlichen Empfang. Ein Herr hieß uns an seinem Haus anhalten und labte uns Reisende mit kühlem Bier und die Rösser mit Äpfeln, ja sogar für die drei mitgeführten Hunde fand er ein paar Leckerbissen."

Als wir unser Abendquartier in Haidmühle gegenüber der Pfarrkirche St. Maximilian erreichen, steht schon ein drohendes Gewitter am Himmel. Eilig errichten wir Pferche und Schutzplanen, aber als das Gewitter mit starken Sturmböen losbricht, bleibt uns nichts anderes übrig als in den Stallungen des Gasthofs Schutz zu suchen. Nur die Köchinnen sitzen unerschütterlich im tosenden Regen am Feuer und braten leckere Forellen für 35 Leute.

Verspeisen dürfen wir unser Mahl in der „Schmugglerklause“ des Gasthofs, die der Wirt eingedenk des Wetters für uns öffnet. Der Gasthof Strohmaier hat noch freie Zimmer, daher gönne ich mir und meiner mitreisenden 78-jährigen Mutter heute Nacht ein richtiges Bett unter einem festen Dach. Der Rest des Trosses verteilt sich auf Heulager und Pferdestall. Als mitten in der Nacht die Pferde naß in ihren Pferchen im Sturm stehen und frieren, evakuieren wir sie in den festen Stall, die Menschen müssen sich ein anderes Plätzchen suchen. Albert liegt mit seinem Strohsack in der Stallgasse. Ludwigs Pferde pullern solche Mengen, daß es aus dem Stall hinausquillt und Berts Strohsack und Wolldecke einsaut.