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21 Das Wonnefest auf Schwabeck

Das Wonnefest auf Schwabeck

Graf Wernher und Ludmilla saßen auf der Altane der neuen Burg und schauten hinaus in das herbstlich beleuchtete Wiesental, auf dessen schmalen Fußpfaden, die da und dort sich kreuzten, die Untertanen und Landleute munter und fröhlich herbei zum angekündigten Feste eilten.

Bald hatte sich der Schloßhof mit Hunderten von treuherzigen Gästen angefüllt, die alle innigen Anteil nahmen an der Wiederkehr ihres edlen Herren und Grafen und seiner liebwerten Gemahlin, und diese Teilnahme durch frohe Lieder, durch ländliche Geschenke, durch Minnesang und Festspiele an den Tag legen wollten. Alle waren mit ihren Sonntagskleidern angetan, und in ihren weißen, roten, gelben und grünen Farben prangten die ländlichen Gruppen. Nur der Graf und seine edle Gemahlin waren in dunkle Farbe wehmütiger Trauer gekleidet. Denn selbst unter der Freude des Tages, die Wernher seinen Untertanen zur Teilnahme an der Erinnerung seiner Wiederkehr veranstaltet, sollte der Schmerz über den Verlust seines Sohnes, wie seiner Schwester, von deren Leben oder Aufenthalt noch keine Spur entdeckt worden, kläglich hervorblicken.. Der Graf hielt von der Altane des Schlosses aus eine Willkommensrede an alle seine Getreuen, lobte ihre unverbrüchliche Anhänglichkeit an den alten, ehrwürdigen Stamm seiner Ahnen, ihre Sehnsucht, mit der sie ihn vom heiligen Lande zurückerhofft, ihre Pünktlichkeit, mit der sie selbst während seiner Abwesenheit die Abgaben und Pachte entrichtet, und gelobte mit lauter Stimme, daß er, wie bisher immer, auch in der Zukunft für ihr Wohl und Glück väterlich sorgen werde.

Unterdem läuteten die Glocken der Schloßkapelle zum feierlichen Gottesdienste. Der hochwürdige Propst von Ursberg war mit vielen Chorherren gekommen, die neue Halle christlicher Andacht an diesem Festtage feierlich einzusegnen. Er sprach ein Wort der Rührung und des Dankes für die freundliche Stunde, die die göttliche Vorsehung gnadenreich hatte erscheinen lassen und betete die heilige Messe unter dem Mettengesang der geistlichen Väter. Nach geendigtem Gottesdienste versammelte sich das Volk im großen Waffensaale, wo ein köstliches Mahl bereitet stand, die Gäste zu erquicken, wo von der Bühne herab die Trompeten und die Pauken des Jubels ertönten, und zwölf Minnesänger in festlichen Liedern die Rückkehr des edlen gräflichen Ehepaares und das neue, häusliche Glück auf Schwabeck verherrlichten.

Unter diesem Freudengetöne ließ sich die Hexe vom Karrenberge melden. Sie sei gekommen, den gräflichen Bewohnern von Schwabeck Glück zu wünschen. Ludmilla, eingedenk der Stunde, die sie einst mit Gertrude am herbstlichen Abend vor dem Schlosse zugebracht, sowie der glücklichen Fügung, daß sie durch den von der Hexe erhaltenen Schlüssel sich das Leben gerettet, gab sogleich den Bescheid, man möge dem Weiblein ungesäumt den Eintritt gewähren. Die Hexe erschien an der großen Doppelpforte und nach kurzem Bedenken trat sie in die Mitte des Saales. Die Versammelten schauderten unwillkürlich vor ihr zurück. Denn das gebückte Weiblein in ihrem.dunkelbraunen Mantel mit allerlei rätselhaften Zeichen auf der Brust, die unheimliche Gestalt im langen, schwarzen Schleier, von der weder eine bestimmte Körperform, noch ein deutlicher Gesichtszug entdeckt werden konnte, gewährte einen schaurigen Anblick. Die Hexe aber erhob ihren Krückenstab - da ward es still wie in einer Totenkammer. Und mit lauter Stimme rief sie den christlichen Gruß durch den Waffensaal: "Gelobt sei Jesus Christus! Unwillkürlich verneigte sich hoch und nieder, groß und klein. Und die Klosterväter von Ursberg erwiderten in tiefem Chorale: "In Ewigkeit Amen!" Jetzt herrschte wieder eine schaurige Totenstille, bis endlich das Wunderweiblein das Sprüchlein summte:

"Dunkel sind des Schicksals Wege,
tragen der Leiden schwarz gepräge,
drücken das Herz des Menschen nieder! -
Doch der Allmächtige erhebt es wieder!
Steht das Unglück zu oberst an,
sieht man die Hilfe vom Himmel nahn! -
Lobet ihr Leute die Huld des Herrn,
denn sie weilet euch nimmer fern!
Ehe die Sonne den Mittag zeigt,
jubelt die Freude, die Trauer schweigt!
Wiedersehen ist freundlich nah,
Darum danket und betet ja!
Vater unser! Ave Maria!"

Staunen und ein seltsames Gefühl ergriff die Anwesenden, als das Wunderweib vom Eichbühl zu reden fortfuhr: "Warum so erschreckt, ihr festlich geschmückten Leute? Die alte Trude vom Karrenberge bringt kein Unglück auf Schwabeck! Laßt immerhin euren Freudendonner vernehmen, ihr lustigen Paukenschläger! Stoßt in eure Hörner, ihr bunten Festgesellen; und rührt eure Zithern, ihr fröhlichen Minnesänger! - Das Wunderweiblein vom Eichbühl weiß auch ein Lied, das paßt gar trefflich zum heutigen Fest! Ihr sollt es vernehmen!" Und indem sie zum Grafen hinzutrat, ihn grüßend mit einem Wink ihrer Rechten, die unter dem Schleier sich dreimal bewegte, fragte sie mit nachdrucksvollem Tone: "Darf ich einen Gast bringen zum Feste? Ihr sollt ihn kennenlernen! Es ist der Unbekannte von der brennenden Burg!"

"Ist es möglich?" rief der Graf und erhob sich eilig vom purpurnen Stuhle. "Oder trägst du deinen Zauber täuschend herein in diese ehrenfeste Versammlung?" Ohne zu antworten, war Trude zur Doppelpforte getrippelt, öffnete sie - und der angemeldete Gast in jugendlich stolzer, männlich kräfiger Haltung trat herein. Wernher erkannte den Schild und die Rüstung des edlen Ritters vom Morgenlande. Und unter dem Ausrufe: "Mein edler Retter! Willkommen auf Schwabeck! Gott sei Lob, daß ich Euch wiedersehe!" lag er in den Armen des Jünglings.

Eine feierliche Pause des allgemeinen Staunens hielt den Blick der Anwesenden nach der schönen Gruppe gerichtet. Aber die alte Trude trat zur Gräfin Ludmilla und sprach mit freudig zitternder Stimme: "Nicht dem Grafen allein, auch Euch gebührt die Freude!" - Und indem sie ihr aus goldenem Büchslein einen Denkzettel darreichte, fragte sie: "Kennt Ihr dies Zeichen? - Es gehört dem Ritter von der brennenden Burg! Ihr seht Euren Ulrich wieder!"

"Heiliger Gott!" stammelte Ludmilla. Der Ritter aber schlug das stählerne Visier in die Höhe, und unter dem Ausrufe: "Mein Vater! Meine Mutter!" lag er an Wernhers Brust, weinte er an Ludmillas Herzen. Die Pauken schmetterten. Die Trompeten tönten. Die Zithern der Minnesänger erklangen. Es war ein Augenblick namenlosen Entzückens. Die Tränen des Wiedersehens ergossen sich in segensreichen Strömen. Darunter summte die Hexe vom Karrenberge:

"Lobet, ihr Leute, die Huld des Herrn;
denn sie weilet uns nimmer fern!
Ehe die Sonne den Mittag zeigt,
jubelt die Freude, die Trauer schweigt!
Wiedersehen ist freundlich nah!
Darum danket und betet ja!
Vater unser! Ave Maria!"

Als aber nach den ersten Augenblicken der Umarmung die Geschichte der Vergangenheit sich kundgeben wollte, fiel das Wunderweib den Entzückten in die Rede:

"Wir sind noch nicht am Ende! Ich habe einen zweiten Gast bestellt! Einen Boten hab ich ins Kloster Dießen gesendet; der hat ein anderes Wesen hierher gebracht, das die Freude des Festes teilen muß! - Ich habe es durch zufällige Kunde entdeckt in der entlegenen Zelle am Ammersee! - Glück auf! Glück auf! Gelobt sei die Huld des Herrn!"

Die Tür öffnete sich wieder - eine verhüllte Nonne trat herein. Sie warf den Schleier zurück. Und "Gisela!" tönte es in freudiger Überraschung durch den Saal. - Oh wunderbares Zusammentreffen! Wie freundlich steigernd gestaltete die alte Trude die Freuden dieses Tages! - Die Umarmung ging aufs neue durch die Reihe der Wiedergefundenen! Aufs neue stimmte von der Bühne der Jubelgesang mit ein in die Wonnetränen der sich Umarmenden und es schmetterte der festiche Paukenschall.

Nun aber erhob die Hexe den Krückenstab; da ward der Jubel umfangen von erwartungsvoller Stille. Und das, Wunderweib zitterte die Worte hervor: "Graf Wernher, edle Ludmilla! Da der Allmächtige euch gesegnet mit dieser schönen Stunde, sollen eure Herzen wohl geneigt sein, einem Manne zu vergeben, der viel Unheil dereinst gestiftet, nun aber gebessert und sein Unrecht bereuend zu euren Füßen um Verzeihung flehen wird." "Ja," rief Ulrich, "Vergebung ist hier Pflicht. Denn der Ritter hat in der schrecklichsten Gefahr das Leben mir gerettet!"

Trude eilte zu der Tür und öffnete: "Tretet immer hinzu! Wo Gott seine Huld erscheinen läßt, muß der Groll aus dem menschlichen Herzen weichen!" Da kniete - Ritter Gäßler in aufrichtiger Zerknirschung vor Ludmilla, die blaß und zitternd den Feind ihrer Seele, den Versucher ihrer Unschuld vor sich erkannte. Aber seine Tränen gaben ihr Überzeugung, daß er sich gebessert. Ihr edles Herz gewann den Sieg. Sie bot ihm die Hand, zu vergeben und zu vergessen. Und Graf Wernher zog ihn zur Versöhnung an seine ehrenfeste Mannesbrust. In dem Augenblicke tönte draußen vor dem Saale ein leiser Lautenschlag. Und es wurde das Liedlein vernehmbar:

"Hat die Trude wahr geredet,
bleibt mein Herz nicht mehr verödet!
Soll ich auf Schwabecks Ritterhöhn,
Vater und Mutter wiedersehn!"

"So recht! So recht, du holde Stimme!" rief das Wunderweib vom Eichbühl und richtete sich an ihrem Krückenstabe in die Höhe, daß sie aufrecht da stand, wie ein schlanker Birkenstamm. "Die Trude hat wahr geredet! Ritter Siegmund, freuet Euch und frohlocket! Gott hat Eure Buße in Gnaden angesehen! Die Verklärung der Freude nahet ihrer Vollendung! Oh liebvoller Gott, wie soll ich mich endlich fassen? Geduld, armes Herz, brich nicht vor der glücklichen Sekunde! - Veit Knall, erscheine! Bringe dem Ritter sein Töchterlein!"

Der alte Harfner kam und trat vor Siegmund, das zarte Mägdlein in seine Arme legend: "Hier habt Ihr Schwinhilden wieder!" - Gäßler sank auf seine Knie. "Barmherziger Gott!" rief er, daß der Saal von seinem Jubel wiedertönte: "Du gibst mir eine unverdiente Freude! Ist es möglich? Ist es wahr? Schwinhilde, mein Töchterlein!" - Und er erfloß in Tränen, daß jedes Wort auf seinen Lippen blieb.

Endlich streckte er beide Arme in die Höhe. Seine Augen starrten hinaus durch das bemalte Fenster, in dessen frischen Farben die Mittagssonne ihre Strahlen spiegelte. Er flehte empor zum reinen blauen Himmel:

"Noch fehlt mir ein Wesen, die Hälfte meines Herzens, die ich dereinst tyrannisch hinweg geworfen. Gott der Huld! Gnadenreichster! Gib mir diese Hälfte zum ändern Male wieder! Ohne sie kann ich nicht glücklich vor deinem Throne erscheinen! Du wirst sie von mir fordern, wie werde ich dann bestehen vor deinem furchtbaren Gerichte? - Wenn mein Weib noch lebt - führe es herbei! Wenn es im Grabe ruht, laß ein Wunder geschehen und erwecke es wieder! Gott, Gott, der du diese jubelvollen Augenblicke gegeben, gib mir auch den seligsten, Allbarmherziger!" Da fiel der Mantel von den Schultern der alten Trude; der schwarze Schleier mit dem Häublein von Marderpelz lag am Boden. Und in der Mitte des Saales stand Edel-trude von Gäßler in dem Kleide, worin sie dereinst ward verstoßen worden. "Hier," rief sie, "hier habt Ihr mich wieder! Siegmund! Schwinhilde! Die Hexe vom Karrenberge ist Edeltrude!"

Wer vermag nun zu beschreiben, was in dieser Sekunde gefühlt, geweint, gejubelt und gebetet wurde? Freundlicher Leser, ehre des Erzählers empfindsame Stille, mit der er dich innig mahnt, zu schweigen und mitzufühlen!

Die rauschenden Festklänge gingen in schmelzende über - und aus diesen gestaltete sich ein allgemeines stilles Dankgebet. Es war gelöst das geheimnisvolle Rätsel der Hexe vom Karrenberge. Und sie rief nach den ersten wonnevollen Umarmungen: "Die alte Trude bringt kein Unglück auf Schwabeck! Laßt immerhin euren Freudendonner vernehmen, ihr lustigen Paukenschläger! Stoßt in eure Homer, ihr bunten Festgesellen und rührt eure Zithern, ihr fröhlichen Minnesänger! - Das Wunderweiblein vom Eichbühl weiß auch ein Lied; das paßt gar trefflich zum heutigen Feste. Ihr sollt es vernehmen:

"Graf Wernher und Ludmilla,
Ulrich und Gisela,
Siegmund, Schwinhilde -
alle, hat mit goldenem Strahle,
der schöne Tag vereinet!
Auch Edeltrude erscheinet!
So haltet die Herzen erhoben,
den barmherzigen Gott zu loben!
Vater unser! Ave Maria!"

Während des Festmahles wurden gegenseitig die einzelnen Ereignisse kundgegeben, sowie der geneigte Leser sie im Laufe der Geschichte erfahren. Und immer aufs neue tönte der Dank der Wiedervereinigten empor zum freundlichen Herbsthimmel. Am Abende aber bewegte sich der festliche Zug in die Schloßkapelle. Und die ehrwürdigen Väter von Ursberg schlossen mit dem feierlichen "Te Deum!" den seligen Wonnetag auf Schwabeck, das unvergeßliche Freudenfest von St. Michael.

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