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1 Nettershausen

Erste Abteilung


Erstes Kapitel

Nettershausen

Am Fuße eines waldigen Berges, einige hundert Schritte von dem buschigen Mindelufer entfernt - dort in der romantischen Gegend von Schwaben, zwischen Augsburg und Ulm - befand sich in der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts ein Eisenhammer mit einem mäßig einträglichen Pachtgute. Er gehörte dem edlen Grafen Wernher von Schwabeck und Balzhausen. Und der ehrliche Pächter Hans Netter, der daselbst mit seinem arbeitsamen Weibe Elsbeth in Zucht und Arbeitsamkeit hauste und alljährlich den Pachtschilling von zehn Goldgulden, eine große Summe in damaliger Zeit, an seinen Pachtherrn pünktlich ausbezahlte, hatte von dem gestrengen Herrn Grafen die Erlaubnis erhalten, diesen ländlichen Aufenthalt Nettershausen heißen zu dürfen, wo denn mit der Zeit ein Weiler entstanden, der bis auf diesen Tag den Namen der alten Vergangenheit beibehalten.

Es war ein kühler, aber doch schöner Herbstabend, als Hans Netter mit seinem getreuen Weibe unter der Haustür stand und auf die Schläge des Hammers horchte, dessen Räderwerk von dem Gefälle eines Waldbaches getrieben ward, der durch die Schluchten des sogenannten Karrenberges sich Bahn machte und von dem Hammer hinweg, nachdem er zugleich die nachbarlichen Wiesen bewässert, unter dem Schatten dunkler Erlen den Schoß der Mindel suchte. Das treuherzige Gesicht des Mannes war nicht frei von einigen Zügen des Unmutes. Und Elsbeth kannte die Launen ihres Ehemannes zu deutlich, als daß sie nicht sogleich gewahr wurde, er verberge etwas Unangenehmes in seinem Herzen. Daher schlang sie ihren Arm um seinen breiten Rücken, sah ihm über die Schulter in das große schwarze Auge und fragte ihn: "Was fehlt dem ehrlichen Hans Netter, das sein Weib nicht wissen dürfte?"

Aber der Pächter entgegnete nach einer Weile: "Hörst du die gewaltigen Schläge des Hammers? Wie dumpf und schauerlich sie widertönen vom Karrenberge! Elsbeth, sie erinnern mich so oft und deutlich an die Schläge des Schicksals. Ist der feste Wille und deutsche Mut des Mannes noch so hart - am Ende weicht er und läßt sich biegen unter dem Drucke der seltsamen Ereignisse, wie das Eisen unter dem Hammer. So möcht es unserem Herrn und Grafen ergehen, wenn er nicht vor der Zeit auf sicherer Hut sein wird."

"Wie meinst du dies?" fragte Netters Eheweib mit neugieriger Eile: "Ihr Männer habt doch stets im Brauch, den Druck eures Herzens, in eine geheimnisvolle Sprache zu verhüllen, mit der ihr doch wünschet, seiner frei zu werden. So rede offen zu deinem Weibe! Was soll dem Grafen Wernher von Schwabeck und Balzhausen Unangenehmes oder Hartes begegnen können? Ist er nicht reich und angesehen? Hat er nicht Knappen und Reisige der Menge? Wer wollte vor den Toren seiner Burg sich feindlich zeigen und müßte nicht, fast zu Tode gehetzt, von dannen fliehen, um wie ein junger Eber im waldigen Hirschforst gegen das Gebirge hin seine Rettung zu suchen? Hat er nicht eine schöne, brave Rittersfrau zur Gattin und von ihr einen wunderlieblichen Knaben? Ist das nicht ein Lärm und ein Gejauchze, wenn die adligen Jungen von Kirchberg, Weißenhorn und Ulm einmal des Jahres gen Schwabeck kommen, die edle Markgräfin von Österreich, unseres gnädigen Herrn Grafen erlauchte Gemahlin, zu sehen. Da werden Feste gegeben zum Lobe der Schönheit unserer blühenden Rittersfrauen und die zahlreich bestellten Minnesänger werden versilbert und vergoldet, wenn sie nur das Schönste ihres Gesanges bieten. Jetzt eben hat sich ein vornehmer junger Gast auf Schwabeck eingestellt. Der lustige Meister Veit Knall von Costnitz, der den ehrwürdigen Chorherren von Ursberg die geräucherten Fischlein vom Bodensee liefert, hat neulich hier zugekehrt und mir von dem holdseligen Gaste auf Schwabeck so viel Rühmliches erzählt, wie er die Armen der Gegend speist, die Diener des Grafen reichlich beschenkt und dergleichen mehreres, daß ich mich erkühnte, um seinen Namen zu fragen."

"Da haben wirs nun wieder!" entgegnete der Pächter seinem Weibe fast verdrießlich: "Die Neugierde ist bei diesem schwachen Geschlechte so groß und das Herz für jeden Eindruck so weich und empfänglich, daß es eines falschen Scheines wegen den Kopf verliert, anstatt eines richtigen Urteils habhaft zu werden, oder aus dem Getriebe wohlberechneter Spitzfindigkeiten das Wahre herauszufinden. - Allein ich befürchte für unseren Herrn und Grafen viel Schlimmes. Dieser junge, leichtsinnige Siegmund Gäßler, jener Gast, den du meinst, wird die großmütige Gastfreundschaft auf Schwabeck schändlich mißbrauchen. Ist er nicht Oswald Gäßlers Sohn, des Stadthauptmannes von Ulm, der seines lockeren Lebens wegen allbekannt ist im Lande und wahrlich nicht auf die rühmlichste Weise? Der Apfel aber fällt nicht weit vom Stamme. Ich habe dir schon einmal erzählt, was die Leute in der Gegend von Ulm über diesen Siegmund Gäßler Häßliches sagen, wie schändlich er mit seiner liebwerten Gattin verfahren, daß er sie verflucht, mit Ruten gepeitscht und monatelang im tiefsten Verließ bei Wasser und Brot eingeschlossen. Nun aber soll er sie sogar verstoßen und unter Regen und Schauer von Haus und Hof gejagt haben. Die Herren von Ulm heben bedenklich die Achseln und sagen - nichts! - Nun, man weiß ja wohl, warum. Wäre Herr Siegmund der Sohn ihres Schafhirten zu Weidenstetten - er müßte schon lang am Ufer der Iller zappeln, da, wo das Hochgericht seine furchtbaren Blutarme in die Höhe streckt. - Seit einem halben Jahre, so lang ist es, daß das unglückliche Weib des Ulmers, man weiß nicht wo, an den Häusern mildtätiger Menschen ihr Brot bettelt - seit einem halben Jahre treibt sich der Wüstling herum und sucht in Lüsternheit und Wohlleben den nagenden Wurm seines Gewissens zu töten. Wie ein häßlicher Raubvogel nach dem Blute eines unbeschützten Lämmleins streckt er seine Krallen aus nach der Unschuld schöner Mädchen und Frauen. Und weil er mit dem Scheine des Almosengebers und adliger Großmut die weiblichen Seelen auf Schwabeck, wie die deine, zu umstricken weiß, gelangt der Schlaue zur Ausführung einer schändlichen Tat, ehe man es vermuten sollte. Dies ist der Kummer, den mein männliches Herz zusammendrückt, daß mir das Blut in den Adern stocken möchte. Ich habe, weiß Gott im Himmel, meinen gnädigen Grafen viel zu lieb, als daß es mich nicht schmerzen sollte, wenn ich sein stillhäuslich Glück einem jämmerlichen Ende entgegeneilen sehe. Doch still davon, Elsbeth - nichts weiter. Beten ist besser als jammern. Der Himmel beschütze die edle Markgräfin von Österreich, unsere gnädigste Frau; und Gott der Herr gnade den braven Wernher von Schwabeck und Balzhausen."

Mittlerweile hatte sich die Herbstsonne hinter den westlichen Buchenwäldern jenseits des Tales niedergetaucht und die Propstei Ursberg, die der Graf erst vor einigen Jahren hatte erbauen lassen, stand mit ihrem hochragenden Turme, beleuchtet von dem graupurpurnen Dämmerungsscheine, mitten unter dem wogenden Erdnebel, der geisterartig aus dem Silberbette der Mindel hervordampfte, einem frommen Wegweiser ähnlich, der sein ehrwürdig Haupt der Sünder zeigt und mit beiden Armen winkt, daß der Unglückliche endlich durch das Irrsal des Unheils und der Schande hindurch sich winde auf den Weg des Friedens und der Seelenruhe.

Meister Hans Netter wollte soeben seinen Fuß zum Hammer lenken, um die Tagesarbeit seiner vielen Gesellen zu besichtigen; und sein Eheweib war schon zum Kamine geeilt, die Abendkost für Meister und Gesellen zu fertigen - da tönte der Jagdlärm schmetternder Waldhörner vom Karrenberge. Der Pächter wandte neugierig den Blick nach der waldigen Höhe und sah die Schlucht hernieder eine Menge von Reisigen steigen, an der Spitze einen jungen Mann mit grünen Federn auf dem goldverbrämten Hute, im gelben gemsledernen Jagdkleid, einen großäugigen Falken auf der Schulter. Der Troß richtete sich schnurgerade auf des Pächters Haus.

Dieser aber hatte den heranziehenden Ritter mit seinen Jagdknechten kaum erkannt, als er fürbaß zu seinem Weibe in die Stube eilte und, mit finsterm Blick die Hände ringend, ihr zurief: "Wir werden bestraft ob unserer unbehutsamen Rede! Sagt nicht ein altes Sprichwort: Rufe den Kobold nicht, er wird dich plagen! - Nun,haben wirs ja schon! Gott gnade unsern Herd! Der Gast von Schwabeck, der saubere Ritter Siegmund Gäßler von Ulm, will Einkehr nehmen in Netters Hause. Hörst du den wilden Lärm? Die Knechte von Schwabeck wissen gar wohl, daß ihr gnädiger Herr nicht dabei ist. Der duldet keine Unfug und ist doch kein Kopfhänger. Heiliges Gnadenbild von Einsiedeln, da ziehen sie schon in den Hofraum ein!"

Und kaum hatte ers gesagt, erscholl das Jagdlied der Reisigen, die einen erlegten Eber an der Haustür nieder gelassen hatten und nun einen Kreis um die blutige Beute schlossen:

"Im Frieden hetzt man das wilde Schwein!
Hurra, hussa, horrido!
Im Kriege muß es der Türke sein!
Hurra, hussa, horrido! -
Es lebe Graf Wernher, der gnädige Herr,
und Ritter Siegmund, dess scharfer Speer
im schwarzen Forste die Sau erlegt!
Hurra, hurra!"

Unter dem wilden Getöse der Reisigen war Ritter Siegmund in die Stube des Pächters getreten. Hans Netter stand vor ihm, mit der Mütze unter dem Arme und redete ihn an mit verdecktem Spotte: "Gott zum Gruß, Herr Ritter von Ulm! Wahrlich, Ihr bringt meinem niederen Hause eine große Ehre, da es Euch gefällt, bei mir Einkehr zu nehmen. Nur schade, daß ich Euch keine vornehme Tafel bereiten kann, wie Ihr sie zu empfangen gewohnt seid auf Schwabeck in dem Ahnensaale unseres gastfreundlichen Herrn Grafen. Allein meine Elsbeth wird nicht säumen, in aller Eile ein Vesperbrot in Ordnung zu richten, wenn Ihr damit vorlieb nehmen wollt."

Der Ritter sah bei diesen Worten des Pächters nach dem Kamine, wo die schüchterne Hausfrau mit verstohlenen Blicken auf den schlanken Ulmerherrn hinschielte. Und er verneigte sich gegen das anmutige Weibchen, indem er sagte: "Ein paar Ziegenkäse mit einem Glas gewürzten Apfelmostes hat Frau Elsbeth wohl für Siegmund Gäßler, und für die Reisigen von Schwabeck einen Laib frisch gebackenen Gerstenbrotes - so mag es genug sein. Wir selbst aber wollen mit Euer Erlaubnis ein Rippenstück von dem erlegten Wildschwein am Kamine braten; und Hans Netter mit seinem Weibe soll unser Gast sein".

Elsbeth verneigte sich gegen den Ritter. Der Pächter aber wandte sein Angesicht gegen das Fenster, um seinen Unmut zu verbergen über den ungeladenen Besuch, der die gewöhnliche Abendstille in seinem Haus unfreundlich zu stören begann, als die Reisigen singend und scherzend in die Stube sprangen, da und dort sich niederließen und endlich ein Schwarm dem Kamine zuschäkerte, um die überraschte Frau Elsbeth zu belehren, wie auf weidmännische Weise das tüchtige Schweinsstück gesalzen, gewürzt und gebraten werden müsse. Mittlerweile waren auch die Hammergesellen aus der Esse herbeigekommen und setzten sich handfest und stummgaffend um die runde Eichenplatte im rechten Winkel der Stube zu der kräftigen Hirsensuppe. Meister Hans Netter machte sich zu ihnen, gab jedem einen kupfernen Dreier zum Taglohn und flüsterte ihnen bedeutsam in die Ohren, sich ruhig hinter dem Tische zu verhalten und jeden Winkes von ihm flink gewärtig zu sein. Am Kamine aber sangen und pfiffen die Reisigen von Schwabeck. Und mancher alte Knappe erzählt den jüngeren einen Schwank oder Strauß aus seiner Jugendzeit, daß ein wildes Gelächter entstand, als ob hundert Waldgeister aus dem Karrenberge unter Saus und Braus die Hütte zugrunde bohren wollten.

Da klopfte man auf einmal von außen heftig an die verwitterte Fensterscheibe der Stube. Ein altes, runzliges Weibergesicht blinzte herein, und ein verzogener Faltenmund rief die barschen Worte: "Hört ihr nicht! Ihr frechen Gesellen! Vom Kloster Ursberg herüber tönt durch die klare Herbstluft zur Andacht einladend die silberne Vesperglocke. Wer nicht beten will, wird kein Glück haben auf Erden. Hätt ich doch nicht geahnt, daß Hans Netter, den ich als braven Mann kenne, solchen Unfug dulde in seinem Hause. Graf Wernher, der andächtige Herr und gute Christ, wird ihn züchtigen, wenn ers erfährt. Gott sei gelobt! Ave Maria!" Jetzt wars mit einem Male still, wie in einer Klosterkirche. Nur Pächter Hans brummte in seinen Bart: "Bin ich Meister über fremde Gesellen?" erhob sich vom Stuhl, kniete in die Mitte der Stube und schloß, als die Glocke von Ursberg verstummt war, das stille Gebet der Anwesenden mit den lauten Worten:

"Gib, Herr Gott, meinem Haus Fried und Freud, und bewahre uns alle vor Unglück und Leid! Laß uns deiner Huld empfohlen sein, und führe uns gnädig ins Himmelreich ein!"

Die sonderbare Stimme von außen, die gespensterartig in die rauschende Unterhaltung sich vorhin gemischt hatte, war so erschütternd in das tolle Gewirr des Jagdtrosses eingedrungen, daß sich eine lange Pause hindurch kein Gespräch unter den Reisigen mehr anbinden wollte. Doch Ritter Siegmund zeigte sich verdrießlich über die unwillkommene Überraschung von einem alten Weibe, und fragte den Pächter nach Namen und Stand desselben.

An dem Tische in dem rechten Winkel der Stube aber bekreuzigten sich die Hammergesellen in andächtiger Angst, und einer gab dem horchenden Ritter den Bescheid: "Es ist die Hexentrude vom Karrenberge." Da fuhren Reisige und Gesellen zusammen, wie wenn sie von einem Donnerschlage berührt worden wären. Und der alte Knappe am Kamin, der das Schweinsstück zurichtete, ließ vor Entsetzen den Bratenspieß, ins Stocken geraten, daß die dem Feuer zugekehrte Seite des Rippenfleisches zu verkohlen begann. Hans Netter aber bekreuzigte sich ebenfalls, erhob den Finger gegen den vorlauten Hammergesellen und wandte sich zu Ritter Siegmund, indem er sprach: "Bei dem wundertätigen Bild von Einsiedeln, das Weib ist keine Hexe, wie mein alberner Hammersteffl es geheißen, der durch solch unverschämtes Urteil gar leicht großes Unglück über mein Haus bringen könnte. Gott gnade uns! - Doch, Herr Ritter, wenn Ihr wissen wollt, was es für eine Bewandtnis habe mit dem sonderbaren Weibe, so mögt Ihr hören!"

Der Pächter holte bei diesen Worten einen langen Trunk aus dem großen Humpen, der zur allgemeinen Befriedigung in der Runde herumging, und fuhr fort: "Vor einem.halben Jahre, da ich eines Morgens die Hammerknechte tief in die Waldschlucht hineinschickte, um auf ihren Karren den Holzbedarf aus dem schaurigen Tannengrunde herauszuholen, trafen sie zum erstenmal dieses Weib in einer hohlen Eiche schlafend. Sie glaubten, ein Gespenst zu sehen und schrien laut auf, daß die Schlafende erwachte Diese aber lächelte gar wunderlich aus ihrem schwärzlichen Gesichte, nahm den wacholdernen Krückenstock zur Hand, erhob sich an ihm zu einer übermenschlichen Höhe - so erzählten mirs die Knechte in ihrer tollen Angst - und zeichnete einen Kreis von hundert schwäbischen Ellen um sie, indem sie schrecklich lachend plauderte:

Nun seid ihr gebannt, ihr schwarzen Hammerschmiede und werdet nicht eher los, bis ihr mir unter diese hohlen Eiche eine Hütte von Tannenholz und Bergmoos werdet erbaut haben. Wer es aber wagt zu entspringen, der ist des Todes. Es wird ihn eine giftige Natter beißen, sobald er den Zauberkreis überschreitet; und wenn er auch den Hammer erreicht, wird er zu Hause verkohlen in der glühenden Esse. Was war zu tun? Die Knechte arbeiteten den ganzen Tag, während das Weib umherging, bald ein Gebetlein murmelte, bald weinte, dann wieder lachte. Und als die Sonne niederging, stand die Hütte fest und fertig. Da war die Fremde sehr zufrieden, nahm ihre Krücke wieder zur Hand, schlug an die hohle Eiche, und es glänzten vier Silbermünzen in der morschen Rinde, einem jeden Knechte eine Silbermünze. Hier nehmt für eure Mühe, sprach sie seltsam lächelnd; der Arbeit gebührt der Lohn. Und wenn ihr fleißig dazu betet, bringen euch die kleinen Münzen großes Gluck. Nun mögt ihr immerhin nach Hause gehen, und so der Meister euch schelten will, sagt nur, ihr habt der armen, unglücklichen Gertrud Gutes getan. Die Knechte kamen atemlos nach Hause, berichteten mir alles, wohl übertrieben; und es verbreitete sich unter dem Volke der derbe Name: Die Hexentrude vom Karrenberge "

In dem Augenblick öffnete sich die Tür. Die Reisigen fuhren erschrocken in die Höhe, weil sie meinten, es komme die Hexentrude vom Karrenberge. Allein bald verwandelte sich der Schrecken in ein Geflüster mit schlecht verhaltenem Gelächter. Denn es trat die junge Hausdirne zur Tür herein, ein echt schwäbisches Rundköpfchen aus dem Illertale. Sie ging auf den Pächter zu und redete ihm ins Ohr so deutlich, daß die Nachbarn es wohl verstehen konnten: "Meister Hans, d Hexentrude vom Karrenberg stauht draußa; sie laßt Ena saga, Ihr sollet a bißla naus komma; sie het ebbes mit Ena zreda."

Hans Netter fürchtete sich wohl nicht vor dem geheimnisvollen unbekannten Weibe, denn er hatte ein gutes Gewissen. Allein es war ihm doch immer lieber, wenn sein Haus in der herbstlichen Dämmerstunde von derlei wunderlichen Besuchen frei blieb. Daher entschloß er sich, eher hinauszugehen als abzuwarten, bis Gertrud sich selbst anmelden würde. Sein Gesicht hatte sich wohl etwas entfärbt als er im Begriffe war, die Stube zu verlassen. Und Elsbeth ging auf ihn zu mit der jammernden Bitte, sich ja nicht in Gefahr zu begeben. Allein da zog ihn auch schon Gertruds magere Hand, die bei der halbgeöffneten Tür sich hereinbog, in den Hausflur hinaus. Und keiner aus der ansehnlichen Stubengesellschaft, die vor kurzem so unbändig lustig war, wagte es, ihm zu folgen. Bald hierauf kam Pächter Hans zurück mit einem großen Schlüssel in der Hand, dem der Bart fehlte. Und indem er diesen dem vornehmsten Hammergesellen darreichte., dagt er: "Mein lieber Heinz, es hat wohl die Feierstunde schon lang geschlagen; und ein braver Meister wird seine Gesellen keine Minute länger arbeiten lassen. Allein heute mags eine Ausnahme sein. Dieser Schlüssel soll ausgebessert werden; hier hast du den losgerissenen, abgenützten Bart, Arbeite eilends einen neuen zurecht, nach der Form des veralteten. Er gehört Gertrud vom Karrenberge. Sie will auf ihn warten. In einer halben Stunde soll er fertig sein. Du weißt, wir dürfens mit dem alten Weibe ja nicht verderben. Denn, bei dem Gnadenbilde von Maria Einsiedeln, sie hat uns schon viel Gutes getan. Denk an die Silbermünze, die dir aus der morschen Eichenrinde entgegenblitzte. Gott gnade uns alle!" Der Geselle Heinz gab keine Silbe zur Antwort, erhob sich vom Stuhl und ging. Wenige Minuten darauf schlug schon der Hammer dumpf durch die Herbstnacht und die Eulen in den Tannen des Karrenberges schienen durch ihr gespensterhaftes Geschrei ihn übertönen zu wollen. Da unterbrach der Pächter die unheimliche Stille in der Stube und fuhr in der vorigen Erzählung weiter:

"Wie ich Euch schon gesagt, Herr Ritter, es liegt ein seltsam Wesen in dieser Gertrud vom Karrenberge. Kaum hatte sie sich in der Hütte unter der hohlen Eiche insoweit eingerichtet, daß sie auch während der rauhen Tage des Winters darin leben zu können glaubte, so ging sie allenthalben umher, Unglückliche und Kranke im Mindeltale aufzusuchen und ihnen hilfreich beizuspringen. Den Armen gibt sie wohl hie und da eine kostbare Silbermünze, deren Gepräge wir gar nicht kennen; für Kranke aber sammelt sie Heilkräuter der Menge auf Bergen, in den Wäldern und im Tale.

Sie bereitet vortreffliche Kraftgetränke. Gott weiß, wo sie diese Kunst erlernt hat. Allein es ist nun einmal gewiß so; denn man erzählt von ihr viele Wunderkuren. Ja, wenn ich mich nicht irre, dort der junge Knappe Kuno, der neben dem Bratspießdreher sitzt, wäre auch ein Kind des Todes ohne ihren heilbringenden Trank gewesen. Man sieht sie oft vom frühesten Morgen bis zum späten Abend am Ufer der Mindel hinauf und hinabwandeln; und am längsten verweilt sie unter den alten Eichen im Bühl, der schönen Burg unseres Grafen und Herrn gegenüber. Dort sammelt sie Morcheln und Schwämme und vielerlei Pflanzen, besichtigt dieselben, trocknet sie an der Sonne, und wankt hinauf an ihrem Krückenstabe in die nahe Feldkapelle, um unter Tränen die gesammelten Arzneien einzuweihen. - Nun haben die meisten Leute im Mindeltale einen anderen Sinn bekommen; und fast allenthalben heißt sie jetzt das Wunderweib von Eichbühl." Vom Kirchturm der nachbarlichen Propstei schlug soeben die neunte Stunde. Da sang Gertrud vor der Tür von Netters Hause mit anmutiger Stimme, daß jeder der Zuhörer im Innersten ergriffen ward:

"Wieder eine Stunde hat geschlagen! Steh uns bei, oh lieber Herre Gott! Schütz uns gnädiglich vor Leid und Plagen, und bescher uns einen guten Tod!"

"Habt Ihr sie gehört, Herr Ritter?" fuhr Meister Hans mit gerührter Stimme fort und trocknete sich eine Träne vom Auge. "Ich weiß nicht, wie mir geschieht. So oft ich sie singen und beten höre, lauft mir das Wasser über die Backen herunter. Es durchschüttert mich dabei eine Ahnung, als ob das Weib in der Zeit ihrer schönen Jugend unendlich viel zu leiden gehabt. Und es sollt nun wohl eine Hexe sein?

Bei der Zelle des heiligen Meinrad von Einsiedeln, mit solcher Andacht ließ ich mich dann gern einen Hexenmeister schelten. Ihr sollt sie nur sehen, Herr Ritter, mit welcher Sehnsucht sie zu beten versteht in der Kirche zu Balzhausen, die sie jeden Sonn- und Festtag besucht, wenn anders kein grausiges Wetter sie einschließt in ihrer einsamen Berghütte. Bei ihrem Anblicke wird jeder ergriffen und zur innigsten Andacht geleitet. Dann zerfließt sie in Tränen, daß die Quadern, auf denen sie kniet, feucht werden. Und endlich, nachdem sie ihr ganzes Herz vor dem lieben Herrgott ausgeleert, verläßt sie aufgeheitert und getröstet das Kirchlein. Darum wird sie auch von den stillen Seelen im Lande, ja selbst von den ehrwürdigen Chorherren in Ursberg, nicht selten in Ehrfurcht genannt: Die fromme Klausnerin von Balzhausen."

Bei diesen letzten Worten öffnete sich abermals die Stubentür und an der wacholdernen Krücke wankte - Gertrud herein. Hinter ihr drängte sich der Hammergeselle Heinz durch die Tür und raunte dem erschrockenen Meister in die Ohren: "Sie hat es sich nicht wehren lassen; sie will Euch selbst den Schlüssel bezahlen!" Da wurden Meister und Gesellen auf ein Geräusch aufmerksam, das in ihrer Nähe vorfiel. "Ach weh, weh!" schrie Elsbeth und eilte, vom eiskalten Schrecken dazu angetrieben, der alten Gertrud zu Hilfe, die ohnmächtig am Boden niedergesunken war. "Maria Einsiedeln! Was soll das?" jammerte der Pächter Hans, in der Angst, daß das letzte Stündlein des unglücklichen Weibes in seinem Hause schlagen möchte. Aber Gertrud erhob sich alsobald wieder und stützte sich zu völliger Sicherheit auf den festen Wacholder. Die vorige Blässe ihres Faltengesichtes wich aufs neue der gewöhnlichen gelbbraunen Farbe; und ein sonderbares Lächeln im Gemenge von Wehmut und Frauenstolz lagerte sich um die dunkelbläulichen Lippen. Sie strich die schwarzen Haare, die durch den Sturz auf den Boden in Unordnung gekommen waren, mit der zitternden Hand hinter den Rücken und langte ein weißes Tuch aus der Tasche, um sich den kalten Schweiß vorsichtig von der Stirn zu trocknen. Dann begann sie in abgebrochener Rede: "Hab ich euch erschreckt, muntere Gesellschaft? Nun es ist vorüber! Und sollte einem der Schrecken schaden, so will ich gern helfen mit Heilkräutern, die ich mir vor einigen Stunden aus dem Eichbühl geholt. Solche Zufälle ereignen sich an meinem schwächlichen Körper nicht selten, besonders wenn ich einen adligen Herrn von Ulm zu sehen bekomme." In dem Augenblick richteten sich die Blicke aller Anwesenden auf Siegmund Gäßler, der von dem Sitze auffuhr, an das Schwert langte und Miene machte, im losbrechenden Zorn auf unritterliche Weise an einem wehrlosen Weibe sich zu vergreifen. Aber Hans Netter trat sogleich dazwischen und bat den Ritter ehrerbietig und dabei ernstlich, abzulassen von solchem Streite, der jedenfalls nur für ihn nachteilig ausfallen könnte. Siegmund Gäßler sah das Unschickliche seines Benehmens ein und weil es ihn reute, sich eine Blöße gegeben zu haben, verwandelte er sein Betragen in einen Schwank und fing zu scherzen an: "Wahrlich, Ihr habt recht Meister Hans," schrie er in tollem Gelächter: "Mit alten Weibern und Hexen muß man sich wohl vertragen. Sonst sind sie so frech, einer ehrlichen Haut den Galgen an den Hals zu zaubern."

Die Reisigen am Kamine, den Knappen Kuno ausgenommen, stimmten in des Ritters freches Gelächter und schienen aus seiner Roheit Mut zu schöpfen. Aber Gertrud erhob den Zeigefinger und sprach in ernster Miene:

"Herr Siegmund Gäßler, es ist nicht ehrenhaft, sich lustig zu machen über ein unglücklich Weib. Ihr würdet besser tun und es würde Euch mehr Segen bringen, wenn Ihr Mitleid und Teilnahme hegtet bei dem Kummer und Elende Eurer Mitmenschen. Auch wäre es ritterlicher, wenn Ihr, den Wurfspieß in der Hand, die Rechte Eurer Vaterstadt verteidigen helfet, statt die Gastfreundschaft auf Schwabeck so sehr in Anspruch zu nehmen, die Grenzwälder bis heran zum Karrenberge jagdlustig zu durchlärmen und am Ende bei Müsiggang und Langweile Unfügliches zu treiben. König Lothar von Deutschland, Herzog von Sachsen, hat vor den Stadtgräben von Ulm seine feindlichen Horden aufgestellt. Er will es in den Städtern übel nehmen, daß sie mit Friedrich von Hohenstaufen, dem Herzog von Schwaben, ein freundschaftlich Bündnis erst geschlossen; und er schwur ihnen Tod und Untergang. Eure Landsleute aber wehren sich tapfer und heldenmäßig. Nur Ihr allein wollt die Hände in den Schoß legen, da in kurzem vielleicht die schönen Gebäude der Donaustadt ein Raub der Feinde und Flammen werden? Schämt Euch, Ritter und fürchtet Euch vor dem Zorne der Ulmer, die Euch sicherlich landflüchtig machen, wenn sie erfahren, wie wenig Ihr Euch um die belagerte Stadt bekümmert. Ihr seid jung und kräftig. Sammelt schwäbische Landsknechte um Euch. Ihr könnt sie gut bezahlen. Und mit diesen tapferen Scharen werft Euch dem Feind in den Rücken. So erhalten die Herren in Ulm Zeit genug, sich zu verstärken - und die Stadt wird gerettet. Dann den Frieden in der Brust und das Siegeszeichen auf dem Helme, hochgeachtet von der edlen Ritterschaft und freundlich gegrüßt von den schönen schwäbischen Frauen kehrt Ihr in die Heimat zu Eurem treuen Weibe, die Euch von ganzen Herzen liebt. Aber wie? Was fehlt Euch, Ritter? Ihr werdet ja blaß wie eine Leiche?"

"Dein unverschämtes Geschwätz, alte Trude!" versetzte Siegmund Gäßler und strich sich mit der hohlen Hand über die Stirn, als wenn er eine bange, marternde Rückerinnerung in die Vergangenheit tilgen wollte. "Mitnichten!" erwiderte das Wunderweib vom Eichbühl und nahm sich die Freiheit, dem verlegenen Ritter einige Schritte näherzutreten. "Was würde Euch schon mein Geschwätz kümmern, wenn es nicht an die Saiten Eures Herzens klopfte, dessen schaurige Mißtöne Ihr selbst nicht ertragen könnt. Siegmund Gäßler, wenn ich vorher von der Heimkehr zu Eurem Weibe sprach, so geschah es nicht ohne Grund - Ihr sollt mich wohl verstehen. Die Hexentrude vom Karrenberge, wie die Hammerknechte dort an der Eichenplatte mich zu nennen belieben, weiß alles. Sie weiß auch, daß Ihr Euer Weib zu Hause nicht treffen könntet, wie es freilich der Brauch sein sollte in einer guten friedlichen Ehe. Ihr habt Euerer Edeltrude unrecht getan, Ritter von Ulm; sie ist unschuldig, so rein wie der Abendstern, der da hereinfunkelt in Netters Stube. Noch könnt Ihr alles wieder gutmachen, Siegmund! Nehmt Euer Weib wieder ins Haus, an Euer Herz und es wird die Unbilden vergessen, mit denen Ihr es von Euch gestoßen! Seht mich hier zu Euren Füßen, Gäßler! Ich selbst flehe für die Unglückliche. Sprecht ein Wort des Friedens - und ich will sie Euch zuführen zu einem neuen häuslichen Bunde. Denn so sie noch lebt, wird es mir nicht schwer werden, ihren verborgenen Aufenthalt zu entdecken. - Von diesem Augenblicke hängt Euer Glück und Euer Verderben ab. Ihr könnt wählen, Gäßler! Verlaßt augenblicklich Schwabeck, vereinigt Euch mit Eurem Weibe, zieht mit tüchtigen Landsknechten zur Verteidigung Eurer Mitbürger von Ulm und freut Euch als Sieger der süßen, häuslichen Ruhe! - Oder bleibt auf Schwabeck, mißbraucht noch länger die Gastfreundschaft des edlen Grafen Wernher; laßt Euer höllisches Feuer unzarter und sündhafter Neigung zu fremdem Eigentum, die Ihr ernstlich fliehen solltet, in Eurem betörten Herzen um sich greifen - und rennet endlich hinein ins ewige Verderben! Nun, Herr Ritter, wird es Euch klar, daß die alte Hexe vom Karrenberge sich wohl versteht auf die Geheimnisse Eures Haushaltes, wie Eurer Seele? Aber ich bitte und beschwöre Euch beim heiligen Kreuze unseres Heilandes, wählt das erstere, auf daß Ihr nicht endlich zugrunde gehet für jetzt und die Ewigkeit!"

Hier schwieg Gertrud und sah mit einem tränenvollen, wehmütigen Blick in des Ritters Auge, der fast vernichtet vor der Hexe stand und es nicht wagte, auch nur mit einer einzigen Silbe des Zornes die freie Rede zu züchtigen. Eine Totenstille in der Stube war das Siegel für die Wahrheit dessen, was Gertrud gesprochen. Die Hammergesellen hatten sich vorgedrängt, um mit aufgesperrten Mäulern zu betrachten, wie sich der Ritter von Ulm auf eine solche unerwartete Bußpredigt gebärden werde. Auch die Reisigen am Kamine waren sehr gespannt auf den Ausgang dieser sonderbaren Unterhaltung. Doch der Ritter sah aus, als wären ihm Hände und Füße gelähmt und die Sprache verfallen. Endlich stotterte er hervor:

"Was geht es dich an, altes Weib vom Karrenberge?" stemmte sich ellenlang unter die Fensterscheibe und pfiff ein schwäbisch Liedlein in die Nacht hinaus, um seiner Verlegenheit, wie seines inneren Kampfes Meister zu werden.

Nun aber stand Gertrud nicht mehr gebückt an der Wacholderkrücke. Ihr schlanker Leib hatte sich wie ein junger Erlenbaum schnurgerade in die Höhe gerichtet. Ihre Augen funkelten von feurigen Tränen. Ihre Lippen verzogen sich zu einem wehmütigen Lächeln, dem bangen Zeichen einer gänzlichen Hoffnungslosigkeit. Aber ihre Arme lagen kreuzweise über der Brust, eine heldenmütige Ergebung und Entsagung anzudeuten. Und sie sprach mit einer Stimme, die dem alten Weibe nicht gehörte: "Wohl an, so hab ich hier nichts mehr zu schaffen. Ich habe das Äußerste gewagt - es ist mir mißlungen. Gott will es so! Mir bleibt nichts mehr, als das Gebet! Ave Maria!"

Und indem sie wieder nach ihrer Krücke langte, zog sie zugleich den gefertigten Schlüssel aus der Hand des hocherstaunten Pächters, schüttelte dagegen eine ansehnliche Silbermünze auf den Tisch, blickte noch einmal nach dem Ritter an der Fensterscheibe und mit dem letzten Worte "Siegmund!" war sie aus der Stube hinaus in die Nacht verschwunden; und man hörte ein lautes Schluchzen, wie von einer Sterbenden.

Dies hatte den Ritter gewaltig aufgeregt. "Bei allen Heiligen," schrie er, "eine wohlbekannte Stimme hat meinen Namen gerufen. Ich muß ihr nach!" Und indem er das Schwert zog, eilte er wie ein Wahnsinniger der Tür zu. - Hans Netter wollte ihm nachjagen, um ihn aufzuhalten - da bannte ihn von selbst der Hexentrude Gesang, der schon aus der nahen Schlucht des Karrenberges ins Mindeltal hinaustönte. Es hatte die elfte Stunde im Kloster Ursberg geschlagen; und das Lied des geheimnisvollen Weibes antwortete der Silberglocke:

"Näher dem Tode, näher des Grube, ist die alte Hexentrude! Glocke von Ursberg, schlag immerzu; Bringst mir vielleicht bald Fried und Ruh!"

Siegmund Gäßler wankte in die Stube zurück und indem er sich am Kamine niederkauerte, um sich an der Glut den Frost zu verjagen, der ihn unwillkürlich fieberhaft befallen, zwang er sich ein lautes Gelächter ab, indem er schrie: "Verflucht seien die Bilder meines aufgeregten Gemütes. So wahr ich Siegmund Gäßler heiße, es war ja doch nur die grämliche Hexe. Meint Ihr nicht auch so, schwarzbärtiger, frommer Knappe Kuno?" - "Ich bejahe es, Herr Ritter!" entgegnete dieser mit zitternder Stimme und schlug ein großes Kreuz auf die Brust. "Allein es hat mit diesem Weibe doch eine ganz eigene Bewandtnis. Wir wissen nichts Böses von der Alten. Im Gegenteile, man erzählt immer nur Gutes. Und dies letztere hab ich selbst von ihr erfahren. Darum ist mir immer lieb, wenn über solche Dinge wenig verhandelt wird. Der gute Herrgott im Himmel kennt seine Leute. Laßt uns ein Vaterunser beten. Mitternacht ist nahe. Und das Weib vom Karrenberge könnte uns noch einmal besuchen. Gott gnade uns!" Der Vorschlag gefiel dem Pächter und der Frau Elsbeth sehr wohl. Er selbst samt seinen Hammerknechten und die Reisigen des Ritters nahmen die Mützen ab und beteten andächtig in aller Stille. Siegmund aber schürte trotzig mit dem rußigen Haken in der knisternden Glut des Kamins und brummte einen Fluch in seine schwarze Schnurre.