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Am Morgen hört der Regen wieder auf. Die vollgesogenen Wolldecken allerdings sind tonnenschwer, wir transportieren sie lieber mit dem Auto nach Waterloo, denn sonst kommt zu viel Gewicht auf den Planwagen. Die Zugpferde werden wieder gebracht, aber die nervige junge Naiade wurde ausgetauscht gegen eine ältere erfahrene Stute, Epona, die dafür ihr 3 Monate altes Fohlen im Stall zurücklassen mußte.

Nach dem Frühstück kommt langsam Aufbruchstimmung auf, wir wollen weiter. Die gute Laune konnte uns der Regen nicht verderben.

Unterwegs ertönt immer wieder ein munteres Lied der Landwehr-Lerchen. Die Wege heute sind besser ausgebaut. Nicht so malerisch, aber deutlich besser zu befahren. Wir ziehen vor dem Chateau de Moriensart vorüber und immer weiter über Feldwege oder alte gepflasterte Straßen.

Von Renival nach Lasne trennen sich die Fuhrwerke wieder kurzzeitig von der Truppe, die eine Abkürzung über einen mit rutschigem Stein gepflasterten steilen Pfad zum Ort hinab einschlägt, während wir Fuhrleute Lasne auf der weniger steilen asphaltierten Umgehungsstraße erreichen.

Aus Lasne heraus fällt uns ein großes Auto mit Düsseldorfer Nummernschild auf, dessen Insassen auffällig förmlich gekleidet sind. Wir scherzen kurz mit ihnen im Vorüberziehen. Kurze Zeit später erreichen wir das Denkmal für den preußischen Oberst Graf von Schwerin, gefallen am 18. Juni 1815 – heute vor 200 Jahren. Am Fuße des Denkmals liegt ein frischer Blumenkranz, niedergelegt von seinen Nachkommen. Jetzt ist uns klar, wer die Leute in dem Düsseldorfer Auto waren...

Die Wehrmänner halten eine Gedenkminute für den gefallenen Oberst. Wir alle nutzen den Aufenthalt am Denkmal für eine erholsame kleine Pause.

Dann setzt sich der Zug wieder in Bewegung und marschiert weiter gen Waterloo.

Kurze Zeit später erhaschen wir einen ersten Blick auf den berühmten Löwenhügel von Waterloo. Die Landwehr begrüßt ihn mit einem tosenden „Westfalen – Man Tau!“.

Unser Zug erreicht Plancenoit.

In Plancenoit kommen wir am „Preußischen Denkmal“ vorbei. Hier hält die Landwehr eine Andacht, die Landwehr-Lerchen singen „Ich hatte einen Kameraden“. Hintergrund der Geschichte ist „Kamerad Krug“, ein großer Messingkrug, der die Landwehr überall begleitet. Der erste „Kamerad Krug“ ging irgendwann zu Bruch und wurde verstohlen dort beim Preußischen Denkmal „bestattet“.

Von hier ab geht es nur noch durch bewohntes Gebiet, dann quer über das fürs Reenactment vorbereitete Gelände mit blickdichten Bauzäunen, riesigen Parkplätzen, grob geschotterten Wegen und rutschigen Recycling-Gummimatten.

Das französische Lager befindet sich in Plancenoit, unser alliiertes britisch-preußisches Lager in 6 km Entfernung bei der historischen Farm von Hougoumont, in der auch 1815 britische Truppen lagen. Die Farm wurde damals beinahe von den napoleonischen Truppen eingenommen, nur der preußische Nachschub unter General Blücher konnte das Schicksal der Schlacht wenden. Hier soll der Herzog von Wellington seinen berühmten Ausspruch getan haben: „Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen“.

Es herrscht ein ziemliches Chaos im alliierten Lager. Die Zelte der Landwehr sind schon schön in Reih und Glied aufgebaut, aber unser Paddock-Baumaterial, das Bettzeug und die Planen für den Unterstand bei der Kochstelle sind alle noch in unserem Auto, das ja als Trossfahrzeug gedient hatte.

Rufus darf erst mal ein bißchen grasen, dann gehen wir mit ihm hinüber ins Kavallerie-Lager, wo er eine Box zugeteilt bekommt. Unsere Ardenner Zugpferde fahren wieder nach Hause, sie haben einen guten Dienst verrichtet.

Rufus wird abends noch einmal angeschirrt, Bert fährt mit ihm zum Parkplatz zu unserem Bus, um das Material für Paddock, Bett und Zeltplanen zu holen. Rufus sollte eigentlich nachts in die Box, wir lassen ihn aber unerlaubterweise einfach auf seinem kleinen Paddock mitten im Lager stehen.

Unser Pferd schläft ganz entspannt zwischen den Zelten und Joachims abgestelltem Planwagen, während es ringsherum lacht und lärmt und trommelt und dudelsackt. Wo so viele Menschen so fröhlich beisammen sitzen, da kann es schließlich nicht gefährlich sein!

Der illuminierte Löwenhügel thront über dem riesigen Lager, in dem eine ganz besondere Stimmung herrscht: Erwartung und Anspannung und Vorfreude. Das Lager der schwedischen Truppen organisiert eine Sonnwendfeier. Einige der jüngeren Wehrmänner gehen hin und amüsieren sich recht gut, wir betagten Fuhrleute sind leider nach dem anstrengenden Tag zum feiern zu müde.

Stattdessen sitzen wir in der Marketenderei bei Inka und Lenchen, süffeln ein paar leckere hausgemachte Liköre und schauen dem Feuerwerk zu, das den Himmel in allen Farben erleuchtet. Rufus ist ebenfalls rechtschaffen müde, das Feuerwerk interessiert ihn nicht, er möchte nur schlafen – und das tun wir auch.

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